Iphigenie im Folterkeller: Gluck-Tragoedie in der Komischen Oper **

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Ein schruntiges Felsen-Relief begrenzt die dunkle Buehne, davor schneidet eine Frau mit fettigem Haar und blutverschmierter Bluse mehreren gefesselten Maennern die Kehle durch, brutale Soldaten in Tarn-Anzuegen fotografieren das grausame Geschehen. So plakativ-heutig beginnt Glucks klassische Reform-Oper „Iphigenie in Tauris“ in der Inszenierung des australischen Regisseurs Barrie Kosky an der Komischen Oper. Ein Skandal ?

Die im Vorfeld der Premiere beschworene Aufregung blieb aus – am Endes des kurzen, pausenlosen Abends spendete das Publikum heftigen Applaus. Mit dickem Regie-Pinsel zeichnet Kosky das Schicksal von Iphigenie und Orest als grelle Horror-Story. Ein Dutzend (fast) nackter Statisten im Renten-Alter geistert als Furien und Vergangenheits-Gespenster etwas willkuerlich umher.Ein sadistischer Thaos, die beiden Freude Orest und Pylades mit offenen Folter-Wunden bedeckt und eine durch ihre blutige Taetigkeit am Rande des Nervenzusammenbruch stehende Iphigenie – am Schluss sitzen sie ( ausser dem erschossenen Thoas) erschoepft an der Rampe – ratlos! Eine theatralisch-packende Auffuehrung, aber doch sehr vordergruendig. Dem entspricht die musikalische Gestaltung durch den englichen Dirigenten Paul Goodwin – kraftvoll treibt er das vorzuegliche spielende Orchester zu expressivem Ausdruck. Die Saenger verkoerpern ihre Rollen geradezu leidenschaftlich und ueberspielen dadurch manch stimmliche Maengel. Besonders Geraldine McGreevy beeindruckt als fiebrig-erregte Iphigenie (trotz Hoehen-Probleme) ebenso wie das leicht homoerotisch gezeichnete Freundespaar Pylades – Orest ( Peter Lodahl – Kevin Greenlaw). Exzellent die Choere, insbesondere die der Frauen, die auch leisere Toene in die sonst ueberlaute Schreckens- und Folter-Oper einbringen. Effektvolles Musik-Theater – aber ohne feinere Nuancen.

Foto: Barrie Kosky/ Komische Oper