Exzentrisch: „Francis Bacon“ – Dokumentarfilm von Adam Low***

m106.jpgFrancis Bacon ist wohl der bekannteste britische Maler des 20.Jahrhunderts. Seine Bilder zeigen ueberwiegend menschliche Gewalt und Deformation. Sie verstoeren und bleiben vielfach raetselhaft. Bacon selbst hat weitgehend Kommentare zu seinen Werken abgelehnt. Auch diese neue, 2005 fuer die BBC gedrehte Dokumentation verzichtet auf eine Interpretation der Bilder, stellt sie aber dafuer in biographische und zeitgeschichtliche Zusammenhaenge. In assoziativer Montage zeigt sie vor allem Aussagen von Freunden und einer Schwester des Kuenstlers, blendet historisches Filmmaterial ein, fuehrt in diverse Wohnungen und in das Atelier Bacons, laesst einen Sprecher dazu die wichtigsten Lebensdaten erlaeutern, und bildet die bedeutendsten, meist grossformatigen Gemaelde in ihren klaren,leuchtenden Farben hervorragend ab. Am faszinierensten aber sind die Ausschnitte aus alten Interviews mit Bacon selbst, in denen er verbal zwar wenig mitteilt, aber durch die Art und Weise wie er sich zu seinem jeweiligen Gegenueber verhaelt, wie er reagiert – dies vermittelt einen starken Eindruck seiner exzentrischen, nie ganz durchschaubaren Persoenlichkeit.
Die Dokumentation ist durch ihre kaleidoskop-artige und temporeiche Machart sehr nterhaltsam, und auch fuer Zuschauer interessant, die mit dem Werk Bacons weniger vertraut sind. Sie schildert in chonologischer Abfolge sein Leben: Geburt 1909 in Dublin; der Vater zuechtet Pferde; nach der Schule Jahresaufenthalt in Frankreich, danach jobt er als Gelegenheitsarbeiter in London; erste, unbedeutende Malversuche. Mit Ausbruch des zweiten Weltkrieges findet er seinen Stil, den er bis zu seinem Tod, 1992 in Madrid, beibehaelt. Offiziel seit den 50er Jahren mit Ausstellungen und Verkaeufen in aller Welt geehrt, fuehrt er privat ein ziemlich ausschweifendes Leben, von Sex und Alkohol bestimmt. Er hat zahlreiche Liebhaber und Lebensgefaehrten, die er meist als Bild-Modelle benutzt und die seine Malerei ebenso – indirekt – beeinflussen wie die jeweiligen zeitgeschichtlichen Ereignisse. Die Dokumentation bietet dafuer dem Zuschauer viele Moeglichkeiten in Bild und Ton – ohne je zu behaupten, dass diese Einfluesse sich 1: 1 in den Gemaelden wiederfinden wuerden. Hier laesst sie dem Betrachter jegliche Freiheit, fordert ihn eher zum Mit-Denken und -Deuten auf.
Eine filmisch spannend gestaltete Kuenstler-Biographie, die sicherlich viele Fragen offen laesst, aber auch anregt, Bacons Bilder mit frischer Neugier zu betrachten.