Hacke-Beil und schwarzer Sand: „Cassandra/Elektra“ in der Deutschen Oper ***

elektra.jpgSpielzeit-Eroeffnung mit antikem Doppel-Projekt: der unbekannte Einakter „Cassandra“ des italienischen Komponisten Vittorio Gnecchi und Richard Strauss‘ viel gespielte „Elektra“. Beide Werke entstanden um die gleiche Zeit, haben aber ausser der antiken Stoff-Vorlage wenig miteinander zu tun. „Cassandra“ schildert in rund 50 Minuten, die Rueckkehr des Agamemmnon aus dem trojanischen Krieg und dessen Ermordung durch seine Frau Klytaemnestra, die damit die fuehere Opferung der Tochter Iphigenie raechen will. Die Musik gleicht einem „Puccini-light“ und gipfelt am Ende in einem grossen Monolog der Cassandra, die kommendes Unheil voraussieht. Die polnische Mezzo-Sopranistin Malgorzata Walewska gestaltet dies sehr eindrucksvoll. Ansonsten braves Rampemsingen vor goldener Torwand.
Das Schwergewicht des Abends bleibt die Strauss’sche „Elektra“. Kirsten Harms, die den gesamten Abend regielich betreut, liess sich einen steilen, bronzefarbenen Schacht bauen, dessen Boden mit dunklem Sand bedeckt ist. Darin wuehlt sich ausgiebig Elektra, durch diesen muessen alle anderen Personen mehr oder weniger geschickt stapfen: die Maegde in schwarzen Pumps, Klytaemnestra im roten Feder-Mantel.Und immer wird das langstilige Beil mit herumgeschleppt : dick aufgetragenes Symbol – ebenso wie blutverschmierte Haende und Gesichter. Am Ende kriechen weisse Lemuren wuermergleich durch den blutbeflekten Sand – doch die theatralische Erkenntnis bleibt bescheiden. Leopold Hager, Musikchef der Wiener Volksoper, betont die lyrischen Momente der Strauss-Musik, bemueht sich um Transparenz und sorgt auf diese Weise dafuer, dass die Saenger sich entfalten koennen und nicht vom klanggewaltigen -gut spielenden- Orchester ueberdeckt werden. Jeanne-Michele Charbonnet (Amerikanerin aus New Orleans): eine intensiv spielende Elektra, Jane Henschel als Klytaemnestra, Manuela Uhl in der Rolle der mehr fraulichen Schwester – zusammen mit dem uebrigen Saengern bilden sie ein ueberzeugendes Darsteller-Ensemble, solide und wohlklingend. Das Aussergewoehnliche aber bleiben Inszenierung und musikalische Praesentation schuldig. Was nicht nur fuer „Elektra“ zutrifft, sondern fuer den gesamten Abend: ein Antiken-Projekt als Hausmannskost.

Foto:Barbara Aumueller/Deutsche Oper Berlin