Im blauen Kaefig: „Tiefland“ in der Deutschen Oper ****

tiefland.jpgPedro, Naturbursche und Hirt, lebt einsam mit seinen Tieren auf den Hochlagen der Pyrenaeen. Den gefaehrlichen Wolf hat er mit der blossen Hand erwuergt. Doch er sehnt sich nach einer Frau. Eines Tages bietet ihm sein Herr, der Grossgrundbesitzer Sebastiano, die Moeglichkeit, ins Tiefland als Mueller zu wechseln und die schoene Marta zu heiraten. Gluecklich stimmt der naive Pedro zu. Doch in Wahrheit ist der brutale Sebastiano pleite, muss eine reiche Heirat eingehen und dasshalb seine Geliebte Marta zum Schein verlassen. Zu spaet erkennt Pedro, von den Doerflern hoehnisch verspottet, worauf er sich eingelassen hat, zumal Sebastiano sogar in der Hochzeitsnacht in Martas Kammer eindringt. Am Ende erwuergt er – gleich dem Wolf – den fiesen Gutsherrn, verlaesst das verderbte Tiefland und zieht mit Marta in die Freiheit seiner Berge. Eine romantische Kolportage, die von Eugen d’Albert 1905 in einer Stilmischung aus Richard Wagner und Pietro Mascagni vertont wurde. Sehr melodioes und dramatisch, aber stehts im Rahmen musikalischer Konvention. Die Oper hatte grossen Erfolg, geriet aber nach 1933 allzusehr in die Naehe „voelkischer Kunst“ – nicht zufaellig verfilmte Leni Riefenstahl den Stoff – und dies unter sehr fragwuerdigen Umstaenden.
Wie bringt man ein solches Werk heute auf die Buehne?
Regisseur Roland Schwab verzichtet fast auf jeden Naturalismus, versucht mehr das Widerspruechliche in zeichenhafte Bilder zu uebertragen. Hans-Dieter Schaal baute ein stark nach hinten ansteigende Buehne, eine riessige Schraege im blaeulich-magischen Licht. Gelegentlich schieben sich von der Seite verwinkelte Architekturelemente herein um Innenreume anzudeuten. Wie in einem expressionistischen Stummfilm huschen schwarze,lemurenartige Gestalten (Chor) ueber die weiten Flaechen, so das Bedrohliche des Tieflandes symbolisierend. Auf der Vorderbuehne spielt sich gleichzeitig das schrille Geschehen ab – bleibt aber – leider – konventionelles Rampentheater. Die verschiedenen Ebenen fuegen sich nicht zusammen – ebenso wie der Kontrast zwischen Hoch- und Tiefland keinen ueberzeugenden Ausdruck findet. Dass der Abend dennoch viel Effekt macht, ist den guten Saengern und dem agilen Bewegungs-Chor zu verdanken. Torsten Kerl als Pedro gleicht einem tapsigen Baer mit kraftvoll-markigem Tenor, Egils Silins behauptet sich als sein Gegenspieler Sebastiano mit Macho-Attituede und kernigem Bariton. Zwischen beiden: die attraktive Marta der Nadja Michael,die mit hoch-dramatischem Ausdruck geschickt ueberspielt, dass ihre Spitzentoene oft ins Grelle driften. Dirigent Yves Abel sorgt im Orchester fuer stimmungsvolle Untermalung,Tempo und Schwung. So macht diese Neuinszenierung trotz der Einwaende einigen theatralischen Effekt: Oma’s deutscher Opern-Kitsch – surreal veredelt.

Foto:Markus Lieberenz