Als Putzfrau in den USA: Verdi’s „Aida“ in der Deutschen Oper *

aida.jpgDie Geschichte um die schoene Sklavin Aida am alt-aegyptischen Pharaonen-Hof verlegt der Regisseur Christopher Alden kurzerhand in ein heutiges Sekten-Zentrum irgendwo in Amerika. Eine Art terroristischer Gottesstaat herrscht dort, der mit mehr oder weniger Gewalt alle Nichtmitglieder zur Bekehrung zwingt. Die Buehne stellt ein grosses holzgetaefeltes Foyer dar, in der Mitte eine Art Felsenbrunnen, in dem zu den Klaengen des Triumph-Marsches Massen-Taufen stattfinden. Alle sind gleich gekleidet, weisses Hemd oder Bluse, graue Hose oder Rock – eine Mischung aus Orwell und ehemaligem Ostblock. Aida arbeitet als Putze, Amneris ist die sichtbare Herrscherin, da vom Koenig nur die Stimme aus dem Off droehnt und Radames muss als GLaubenskaempfer mit Pellerinchen und Revolver die Feinde jagen. Schwankend zwischen Liebe zur Putzfrau und zum Vaterland, wird er von seinen Sektenbruedern als Verraeter verurteilt und ertraenkt sich (?) und Aida im Taufbecken.
Statt auf die Musik zu hoeren, stuelpt das Regieteam dem Libretto einen – in diesem Fall ziemlich banalen – Einfall ueber und glaubt damit die alte Oper aktualisiert zu haben. Da aber nicht nur der Grundgedanke dieser Neuproduktion aeusserst fragwuerdig ist, sondern auch die szenische Umsetzung, insbesondere die Personenfuehrung ziemlich konventionell ausfiel und die Saenger zu bravem Rampenspiel anhielt, ging Verdi’s grosser Oper, dem „Kraftwerk der Gefuehle“, schon bald die dramatische Luft aus. Auch die soliden musikalischen Leistungen konnten das nicht wettmachen: Carlo Ventre als Radames mit Heldentimbre, Irina Mishura mit sattem Mezzo als Amneris und Annalisa Raspagliosi in der Titelrolle, eine huebsche Erscheinung, der nur in der Hoehe die Resonanz fehlt. Chor und Orchester der Deutschen Oper praesentierten sich in bester Form und Ex-General Renato Palumbo erwies sich als guter Kapellmeister. Doch zu ausserordentlicher Form lief niemand auf, da haette es doch einer anregenderen Regie bedurft.  Die Deutsche Oper wirbt mit dem Slogan „Zukunft Grosse Oper“ – nach „Arabella“, „Freischuetz“ oder nun der neuen „Aida“ muss man – voresrst – ein Fragezeichen dahinter setzen.

Foto: Bettina Stoess / stage picture