Zwischen Weihnachtstanne und Party-Muell: „La Boheme“ in der Komischen Oper **

boheme.jpgAuf der leeren, dunkel gehaltenen Buehne steht ein riesiger Weihnachtsbaum, manchmal schneit es auf ihn herab. Vorn an der Rampe tummeln sich in lockerer Freizeitkleidung die vier angehenden Bohemiens und Kuenstler, treiben Scherz- und Liebesabenteuer, waehrend der staendig umherwieselnde Chor die Tanne schmueckt oder einem Weihnachtsmann hintersausst. Im letzten Akt der pausenlosen, knapp zweistuendigen Auffuehrung haben die Kuenstler es geschafft, sind zu Ruhm und Geld gekommen; feiern eine rauschende Party mit Champus und Sahnetorte ins Gesicht, bis die totkranke Mimi hereinstolpert und zwischen umgestuertzten Tischen und Papiermuell stirbt. Betroffen eilen alle davon, nur die als Edelnutte aufgedonnerte Musette bleibt mit der Toten allein zurueck.
So erzaehlt Intendant und Regisseur Andreas Homoki die bekannte Love-Story von Mimi und Rudolphe – verzichtet auf historische Romantik und Atmosphaere, zeigt junge Leute von heute. Er und sein Team haben sich – im Programmheft ! – viele kluge Gedanken zu Puccini’s Meisterwerk gemacht, doch deren szenische Umsetzung fiel recht platt aus, wirkt oft aufgesetzt und oberfaechlich, waehrend die Musik eine ganz andere Geschichte schildert. Demgegenueber erweist sich der neue Generalmusikdirektor der Komischen Oper, Carl St.Clair, als kraftvoller und zupackender Dirigent, auch mit feinem Gespuer fuer die zarteren Details der Partitur. Was er noch nicht beherrscht, ist die flexible Koordination von Orchester und Buehne; so wird durchgehend zu laut musiziert, werden die Saenger zum Bruellen gezwungen. Dabei kann die Komischen Oper mit einem guten und anhoerenswertem Ensemble aufwarten, darunter Timothy Richards als jungenhaftem Rudolphe und Brigitte Gellert als (besonders in den letzten beiden Akten) anruehrender Mimi. Von der etwas modisch aktualisierten Neu-Ubertragung ins Deutsche kann man so wenig verstehen, dass die Frage erlaubt ist: warum nicht gleich im (geschmeidiger zu singenden) italienischen Original? Das Dogma, deutsch zu singen, scheint in der Behrenstrasse unumstoesslich, szenisch darf man jedoch jede Konvention beiseite schieben: Sinn- oder Unsinn?

Foto: Komische Oper Berlin