Grosser Auftritt: „Pelleas und Melisande“ in der Staatsoper *****

pelleas.jpgSir Simon und Mrs.Rattle geben sich die Ehre: fuer vier Vorstellungen von Debussy’s lyrisches Drama „Pelleas und Melisande“ im ehrwuerdigen Haus Unter den Linden. Zum ersten Mal dirigiert Simon Rattle die Staatskapelle, erstmals singt seine Ehefrau Magdalena Kozena ihre inzwischen weltberuehmte Melisande in Berlin. Es ist ein grosser Abend, trotz einiger kleineren Einwaende. Sir Simon interpretiert den „Pelleas“ vorwiegend als dramatisches Werk, kraftvoll und spannungsreich, voll dunkel-gluehender Klangfarben, wobei ihm die grossartige Staatskapelle mit ihrem satten Streichkang praechtig entgegenkommt. Aber auch die zarten, manchmal fast „stummen“ Momente vermag Rattle, rhythmisch sehr praezise, zum Leuchten zu bringen. Dass gelegentlich die Saenger vom Orchester uebertoent werden, mag an dem fuer Rattle neuen Raum mit seiner speziellen Akustik liegen – dies durfte sich in den naechsten Vorstellungen schnell ausgleichen. Magdalena Kozena ist eine wunderbare Melisande mit einer traumhaften Stimme, gleichmaessig stroemend in allen Lagen, weich und fexibel – eine ideale Rollenbesetzung. Auch das uebrige Ensemble zeigt – mit einigen Einschraenkungen – hohes gesangliches Niveau: William Burden (Pelleas), Hanno Mueller-Brachmann (Golo), Robert Lloyd – mit etwas bruechiger Hoehe- (Arkel), Marie-Nicole Lemieux (Genoveva) sowie Andreas Moerwald, ein mit stupender Sicherheit singender Toelzer Saengerknabe als kleines Soehnchen Yniold.
Es war die 29.Auffuehrung (seit der Premiere 1991) der Inszenierung von Ruth Berghaus, ihrer letzten an der Staatsoper Unter den Linden. In ihren gruen-blauen, assymentrischen Gewoelben und den schmucklosen, strengen Kostuemen gleicht sie einem duester-expressionistischem Stummfilm. Ein mit Symbolen und geheimnisvollen Zeichen aufgeladenes Raetselspiel, das alles Naturalistisch-Psychologische vollkommen meidet, von dem aber eine magische Bildwirkung ausgeht. Die nicht unumstrittenen Inszenierung ist ausgezeichnet wieder-einstudiert worden und die Darsteller vollfuehren ihre Gesten und Gaenge mit grosser Intensitaet – und doch bleibt ein offener Rest: die pulsierende Energie mit der Ruth Berghaus einst ihre vielschichtige Produktion durch ihre Anwesenheit unmittelbar aufladen konnte, sie ist nicht mehr wiederherzustellen: etwas platt formuliert, vollfuehren die Saenger genauestens alle Gesten, die Berghaus erfunden hat, warum sie diese aber so und nicht anders vollfuehren, kann ihnen  niemand mehr sagen. Grosser Beifall.

Foto: Marion Schoene/Michael Trippel 1991 Staatsoper Unter den Linden