Bonbonfarben: „with/out Tutu“ in der Staatsoper **

nawrath-forsythe.jpgLetzte Premiere des Staatsballett’s in dieser Saison, die vorwiegend dem romantischen Tanz gewidmet war. Diesmal galt es zu demonstrieren, wie die Tradition ins Zeitgenoessische heruebergeholt werden kann – wie alten Huete frisch gewendet werden. Das gelingt zu Beginn vortrefflich mit einer ironisch-liebevollen Huldigung (oder war’s eine Persiflage?), in der die klassische Form in rassantem Tempo buchstaeblich auf die Spitze getrieben wird: William Forsythe’s „The vertiginious Thrill of Exactitude“. Drei Taenzerinnen (Knop, Nakamora, Semionova) in grassgruenen, tellerartigen Tutus und zwei Taenzer (Malakhov, Tamaziacaru) in weinroten Trikots fuehren in unterschiedlichen Formationen den titelgebenden „schwindelerregenden Schauer der Exaktheit“ ebenso praezise wie spielerisch vor: Neoklassik vom Feinsten, vielleicht etwas weicher getanzt als bei Forsythe selbst. Dieses elegant-witzige, kurze Stueck zu Schubert’s flink-wirbelndem Schlusssatz seiner 9.Sinfonie ist auch schon der Hohepunkt des dreiteiligen Abends. Die beiden nachfolgenden Arbeiten der US-Taenzer Jodie Gates und Clark Tippet koennen da nicht mithalten. Jodie Gates, einst selbst Forsythe-Taenzerin, choreographiert fuer das Staatsballet ein huebsches, aber unverbindlich-abstraktes Divertissement, in dem zu Musiken von Fanny und Felix Mendelssohn drei Solisten-Paare der gesamten Truppe gegenuebergestellt werden: geschmeidige, fliessende Bewegungen im stimmungsvollen Halbdunkel und transparenten Kostuemen – sinnlich-erotisch und ein bisschen chi-chi. Tiefpunkt des Abends dann die deutsche Erstauffuehrung „Bruch Violin Concerto No 1“ des bereits 1992 verstorbenen Taenzers Clark Tippet: choreographisch ziemlich einfallslos und in der Gesamtwirkung recht altmodisch – trotz der bonbonfarbenen Tutus und einiger Pirouetten auf „halber Sohle“. Die Taenzer, einschiesslich der wunderbaren Polina Semionova, vermoegen zwar auch hier ihr hervorragendes Koennen vorzufuehren, doch statt Kunst gibt’s nur Kunst-Handwerk. Insgesamt zeigt dieser allzu „bunte“ Abend, was dem Staatsballett (noch?) fehlt: ein Haus-Choreograph mit einer starken und stilpraegenden Handschrift.

Foto (Forsythe): E.Naweath