Blasses Gold: „Belshazzar“ in der Berliner Staatsoper **

belshazzar.jpgDem Verbot, biblische Stoffe auf die Opernbuehne zu bringen, verdankt die Musikwelt die Erfindung des englischen Oratoriums. Eines der dramatischsten Beispiele dieser Gattung ist Georg Friedrich Haendel’s 1745 in London uraufgefuehrter „Belshazzar“. Es geht um die Befreiung der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft durch die Perser. Am Beispiel des frevlerischen Koenigs Belshazzar, der durch eine geheimnisvolle Wand-Schrift vor seinem und seines Reiches Untergang gewarnt wird, werden Fragen nach gerechter und angemasster Herrschaft, nach Krieg und Frieden, nach Schuld und Strafe gestellt. Musikalisch zeigt Haendel meisterhaften Einsatz und grosse Vielfalt der formalen Mittel: Arien und Duette wechseln mit maechtigen Choeren und praechtigen Orchesterstuecken. Diese dramatische Struktur des Oratoriums hat seit 1927 auch zu szenischen Auffuehrungen gefuehrt; den neuesten Versuch haben nun der Dirigent Rene Jacobs und der Regisseur Christoph Nel in einer Koproduktion zwischen Berlin, Aix-en-Provence, Toulouse und Innsbruck unternommen. Eine riesige graue Felsen-Mauer mit Terassen-Absaetzen, die auf eingenagelten Sprossen zu erklettern sind, beherrscht die Buehne. Auf dem obersten Absatz sitzt mit hoher Krone und goldener Axt Belshazzar, unten beten und flehen die Juden. Die Koeniginmutter mahnt ihren Sohn zur Vernunft und bittet, als das Menetekel in Form von schmalen Blut-Baechen aus der Wand rinnt, von seinem Hochmut abzulassen- vergeblich. Am Schluss toetet der persische Prinz Cyrus den babylonischen Koenig und wird – so prophezeit es der juedische Gelehrte Daniel – den Tempel in Jerusalem wieder aufbauen. Leider gelingt es der Regie nicht, dieses Geschehen eindeutig zu erzaehlen, schon die jeweiligen Rollen, die der in edle Trash-Gewaendern gekleidete Chor einnimmt, bleibt unklar; ob er Juden, Babylonier oder Perser darstellen soll, ist kaum auszumachen. So bleiben, trotz der sehr lebendigen und vielfaeltigen Bewegungsablaeufe, lediglich der Eindruck einzelner,schoener Arrangements uebrig, kaum aber der einer aufwuehlenden und beruehrenden Handlung. Auch musikalisch zerfaellt der Abend in einzelne Nummern: Rene Jacobs leitet die vorzueglich spielende „Akademie fuer Alte Musik“, begleitet Arien und Duette mit feiner Aufmerksamkeit, aber es fehlt der energiespruehende Duktus, der dramatische Furor, der die durchaus farbig gestalteten Einzelteile zusammenhaelt. Von den Solisten gelingen der englichen Sopranistin Rosemary Joshua als ahnungsvoller Koeniginmutter Nitocris und dem amerikanischen Counter-Tenor Bejun Mehta als Perserkoenig Cyrus die stimmigsten Rollenportraets, die uebrigen Saenger bleiben blass. Ein Sonderlob aber gebuehrt dem virtuosen und prachtvolle singenden RIAS-Kammerchor und seinen sechs englichen Chorsolisten: ihre grossartigen Einsaetze sind die mit Recht umjubelten Hoehepunkte dieses nur halb gelungenen „Belshazzar“.

Foto: Monika Rittershaus