Packendes Menetekel: „Belshazzar“ in Halle ****

bel.jpgKeine Frage: Konkurrenz belebt das Geschaeft. Die szenische Festspiel-Produktion von Haendels englischem Oratorium „Belshazzar“ uebertrifft die luxurioese, aber glanzlose Auffuehrung der Berliner Staatsoper mit Abstand. Belshazzar (Nicholas Sales) und sein Hofstaat erscheinen hier im Kostuem der Haendelzeit, eine dekadente Gesellschaft wie einem Sittenbild Hogarth’s entsprungen. Die Juden gleichen dem einfachen Landvolk, geleitet wie eine brave Herde von dem in strengem Schwarz gekleideten Propheten Daniel (David DQ Lee). Gegenpol ist die persische Soldateska, wilde Partisanen mit Gewehren und Revolvern aus der Zeit des 20.Jahrhunderts. Deren Anfuehrer Cyrus (Jordi Domenech) entpuppt sich trotz seiner freundlichen Worte am Ende, nachdem er den Babylonierkoenig im Pistolenduell getoetet hat, als neuer Usurpator – das Karusell der Maechtigen dreht sich weiter. Der auf Maessigung und Ausgleich bedachten Koenigin-Mutter (exzellent: Romelia Lichtenstein) bleibt nur der Abgang in Resignation.
Kraftvoll inszeniert Regisseur Philippe Calvino dieses Spiel mit und um die Macht, effektvoll ist die Gestaltung der Buehne (Pierre Noevel) mit leicht verschiebbaren Treppen und Portalen, Video-Projektionen lassen die farbigen Mauern Babylons schimmern und das Menetekel-Blut ueber die Stufen rinnen, lustige Einlagen (die drei Weisen als Hip-Hopper oder die „laufenden“ Wappen-Loewen) heitern die alttestamentarisch-duestere Geschichte auf. Das auf historischen Instrumenten spielende Haendelfestspielorchester unter der zupackenden Leitung von Martin Haselboeck macht aus dem philosophischen Oratorium tatsaechlich eine spannende Oper: barockes Musiktheater und zeitgenoesisches Menetekel zugleich. Da auch die Saenger und der Chor auf hohem musikalischen Niveau ihre Rollen eindrucksvoll und ueberzeugend interpretieren, darf man ueber einige szenische Ungeschicklichkeiten (Gestaltung der Orgie, Cyprus auf dem Hebe-Krahn am Schluss) freundlich hinwegsehen. Eine schoene und aktuelle Auffuehrung ohne modischen „Trash“ und intellektuell-verbraemte Maetzchen.

Plakat u.Buehnenbildentwurf / Oper Halle