Schiffsbruch: „Der fliegende Hollaender“ in der Deutschen Oper *

holl.jpgKein Meer und Fels, kein Schiff und Sturm, stattdessen der Blick der noch kindlichen Senta (Lilian Dobbert) durchs Vorhang-Schluesselloch auf ein dunkles Boersen-Parkett, wo Kapitaen Daland seine (dann erwachsene) Tochter Senta fuer Geld und Aktien an einen etwas dubiosen Hollaender verschachert. Senta ihrerseits harrt im spiessig-eleganten Frisier- oder Beauty-Salon auf Aussergewoehnliches. Als der Hollaender auftritt, ist sie sofort fasziniert, schwoert Treue bis in den Tod. Der erfolgt auf ungewoehnliche Art: Senta mordet ihren bisherigen Freund Erik und schlitzt sich dann die Kehle auf – der Vorhang schliesst sich und wieder blickt die kleine Senta vom Beginn durch eine Oeffnung: jetzt auf den Hollaender als lachendes Monster.
Richard Wagners romantische Oper als Horror- und Neurosen-Kabinett – die Regisseurin Tatjana Guerbaca hat viel Verborgenes im Text entdeckt oder hinein-gelesen, aber ihre Erkenntnisse nicht auf eine Linie gebracht und – schlimmer noch – keine dementsprechende theatralische Umsetztung gefunden. Viel Symbol-Kram wie brennende Brautschleier und verkohlte Kinderwagen, viel Gewusel im sich immer wieder auf den Boden schmeissenden Chor, mal als Boersianer, mal als Party-Volk. Und die Deutung des Hollaenders als „fruehen Akteur der Globalisierung“ (Programmheft) bleibt modische Behauptung: eine wenig ueberzeugende Aktualisierung. Dennoch gelingen der Regisseurin einige faszinierende Bilder, etwa wenn Senta und der Hoellaender sich erstmals begegnen, sich wie unter Hypnose entkleiden und Senta Hemd und Mantel des Hollaenders sich ueberstreift. Oder wenn die aufgetackelte Party-Gesellschaft (im 3.Akt) die Zombie-Mannen des Hollaenders boese und agressiv behandelt und angreift. Doch diese wenigen spannenden Momente tragen keinen ganzen Abend.
Leider vermag die musikalische Seite das Scheitern der Inszenierung nicht aufzufangen. Das Orchester unter dem kanadischen Dirigenten Jacques Lacombe spielt routiniert,aber wenig differenziert,  der Chor ist meist zu laut und die Solisten  vermoegen ihren Rollen kaum persoenliches Profil zu geben, trotz guter Stimmen.(Senta: Ricarda Merbeth, Erik: Matthias Klink, Daland: Reinhard Hagen, Hollaender: Johan Reuter).
Wagners „Hollaender“ gehoert – aehnlich wie Verdis „Aida“ – zu den festen Saeulen eines Opernhauses mit breitem Repertoire; ob diese Neuinterpretation solches Standvermoegen (und damit Garantie fuer lange Laufzeit) besitzt, darf bezweifelt werden.

Foto: Matthias Horn / Deutsche Oper