Flaches Gewaesser: „Hoelderlin“ in der Staatsoper *

hoelderlin2.jpgDie Buehne: ein unbestimmter Ort.  Rechts und links Hochhausfassaden, der Boden knoecheltief mit Wasser bedeckt, in der Mitte eine kleine Insel. Verschiedene Personen liegen – wie nach einem Unfall – umher. Die griechischen Goetter, in schwarzen Taft-Roben, Fraecken und Zylindern, kuemmern sich um sie, eine neue Gesellschaft entsteht: zunaechst babylonische Sprachverwirrung, dann senkt sich ein riesiges Marienbild herab, wird aber zerstoert. Ein Dichter taucht zusammen mit seiner erfundenen Figur Empedokles auf, beklagt die menschliche Unfaehigkeit – die Masse stuerzt sich auf den Dichter, misshandelt ihn und seinen Empedokles. Dann werden Einzelschicksale wie aus dem Polizeibericht (Kindesmisshandlung, eheliche Gewalt) kurz angespielt, spaeter finden sich die Menschen in einem faschistischen Regime wieder, aber am Ende ruhen alle in einem idyllischen Arrangement vor goldenem Abendhimmel – plaetschern friedlich im flachem Wasser. Ein ziemlich krudes Libretto, in das alle Uebel unsere Zeit hineingepackt werden, aber nichts richtig durchgespielt wird und das Ganze daher in hochtrabender („Hoelderlin“!) Beliebigkeit endet.  Der Regisseur Torsten Fischer (eingesprungen fuer den im Juni gekuendigten Intendanten und Textbuchverfasser Peter Mussbach) versucht diese undurchsichtigen Handlungsfaeden einigermassen zu entwirren, mit maessigem Erfolg aber einigen schoenen Bildern. Die Musik von Peter Ruzicka ist mehr illustrativ als dramatisch, wechselt zwischen massiven Schlagzeug-Gewittern und breit ausgespielten Streicher-Linien, Schmerzens-Toene, die nach Wagner, Mahler oder Berg klingen. Das umfangreiche Ensemble der Staatsoper – Saenger, Schauspieler, Chor und Orchester – meistert seine Aufgabe mit hoher Professionalitaet, zeigt sich in Spiel und musikalischem Ausdruck sehr attraktiv und ueberzeugend. Die Ungereimtheiten des Librettos und die nur maessige Originalitaet der Musik stehen auf einem andern Blatt : ein aufwendiger Schlag ins flache (Buehnen-)Wasser ?

Foto: Ruth Walz / Staatsoper