Duestere Kantate: „Angst“ in der Komischen Oper ****

Der deutsche Komponist Christian Jost, Jahrgang 1963, ist in dieser Spielzeit „composer in residence“ an der Komischen Oper. Mehrere Konzertveranstaltungen mit Vorstellung unterschiedlicher Arbeiten von ihm gipfeln in der Urauffuehrung seiner neuen Oper „Hamlet“ am Ende der Saison. Im Januar 2006 wurde seine – vom Rundfunkchor Berlin in Auftrag gegebene – sogenannte Chor-Oper „Angst“ konzertant in den Sophiensaelen aufgefuehrt. Sie war so erfolgreich, dass nun die Komische Oper eine szenische Darbietung erarbeitete, wieder mit der Rundfunkchor unter seinem engagierten Leiter Simon Halsey.
In „Angst“ fuehrt Christian Jost unterschiedliche Facetten dieses Gefuehlzustandes vor. Die einstuendige Oper geht aus von einem Bergsteigerdrama, in dem ein Verletzter und sein Helfer vor die beklemmende Entscheidung gestellt werden, das sie verbindende Seil zu kappen, um so wenigsten einen von ihnen zu retten. Das Stueck ist in 5 Teile oder „Pforten“ gegliedert, die jeweils eine „Reise ins Innere der Angst“ schildern. Aber nur die erste und die letzte „Pforte“ beziehen sich direkt auf die Alpinistentragoedie, die Abschnitte dazwischen reflektieren eher seelische Zustaende oder Traumata – teils auf Verszeilen von Friedrich Hoelderlin.
Der grosse Chor, aus dem nur gelegentlich ein paar Frauen sich solistisch kurz hervortun, ist Traeger des musikalischen Geschehens. Er schildert die Ereignisse, er kommentiert und reflektiert die „Angst“. Vom Fluestern und Wispern steigert sich der Gesang klangfarbenreich und in vielfaeltiger Schichtung zu einem maechtigen Schlusschor – ein kraftvolles Crescendo ganz a-capella.
Die debuetierende Regisseurin Jasmina Hadziahmetovic verzichtet auf alle Naturalistik. Die Buehne bleibt leer und dunkel, der schwarz gekleidete Chor nimmt unterschiedliche Positionen und Formationen ein, abstrakt, mal vor, mal hinter verschleiernden Gaze-Vorhaengen. Grelle Spott-Lichter huschen wie Blitze ueber die Szene, einmal flimmern ein paar Video-Bilder vom Krieg ueber eine Leinwand. Leider sind die jeweils gesungenen Texte kaum verstaendlich und auch die kaum zu lesende Uebertitelung hilft da nicht weiter. Dadurch laeuft die abstakte Inszenierung rasch ins Leere, wirkt beliebig.
Musikalisch – vor allem dank des exzellenten Rundfunkchores – entwickelt der Abend faszinierende Momente. Doch da die Partitur nur teilweise dramatische Passagen enthaelt und die Buehnenrealisierung eher blass bleibt, erscheint eine konzertante Wiedergabe (wie vor zwei Jahren) dem Werk angemessener zu sein: eine Kantate, die die Fantasie des Zuhoerers staerker anregt und so ins „Innere der Angst“ tiefer vorzudringen vermag.

Foto: Komische Oper
Naechste Auffuehrung; 18.Januar 2009