Spannend: „Jerichow“ von Christian Petzold ****

Ali, ein tuerkischstaemmiger Unternehmer, ist durch eine Imbisskette im flachen Nordosten Deutschlands zu einigem Wohlstand gekommen. Mit seiner deutschen Frau Laura, einer verschlossenen Blondine, sorgt er fuer die taegliche Belieferung und Kontrolle seiner Laeden. Als er wegen Trunkenheit am Steuer seinen Fuehrerschein verliert, heuert er Thomas, einen arbeitslosen, ehemaligen Afghanistan-Soldaten, als Fahrer an. Bald entwickelt sich zwischen Laura und Thomas eine erotische Beziehung. Da beide auf Alis Geld scharf sind, beschliessen sie, ihn umzubringen. Doch die Geschichte nimmt einen unerwarteten Verlauf.
Christian Petzold bedient mit  „Jerichow“  des bekannten, bereits mehfach verfilmten Romans „The Postman Alway Rings Twice“,  uebertraegt ihn aber sehr frei in die fast menschenleere, arme Landschaft der neuen Bundeslaender zwischen Prignitz und Ostsee. Weite Wiesen, lichte Walder, karge Steikuesten. Durchzogen von asphaltglaenzenden Autostrassen. Aber nicht die Story noch ihre Moral machen den Reiz des Films aus, sondern  die ruhige und praezise Art seiner Inszenierung. Die ruhigen, gleitenden Fahrten durch die sommerlich-hellen Gegenden, die unspektakulaere,  logische Erzaehlung der einzelnen Geschehnisse,  die klare Charakterisierung der Figuren. Doch sind es vor allem die Schauspieler, die den Film tragen:  Benno Fuermann als wortkarger Thomas von starker koerperlicher Praesenz,  Nina Hoss als herbe, eher passiv alles ueber sich ergehen lassende Laura und vor allem Hilmi Soezer, der aus Ali einen lebensprallen Charakter formt: klug, brutal, gerissen, misstrauisch, manchmal auch von einer liebenswuerdigen Feundlichkeit. Soezer macht unaufdringlich klar, dass dieser Ali im Grund  – ob bei seiner Frau, ob bei Thomas – eine Heimat sucht, einen Freund, der ihn aus seiner Isolation (als Mensch, als Tuerke) befreit. Doch die Gier nach Geld haben Thomas wie Nora blind gemacht.
Trotz einiger allzu unglaubwuerdigen, dramaturgischen Konstruktionen ist „Jerichow“ ( = irgendwo in der Provinz) eine gelungene Mischung aus Sozialreportage und Melodram. Ein sproedes, aber spannendes Kammerspiel, sicherlich Christan Petzolds bisher ueberzeugenster Film.

Foto/Verleih: Piffl
zu sehen: Broadway, Capitol, fsk, Hackesche Hoefe, Kant Kino, Kulturbrauerei, Yorck u.a.