Schrilles Panoptikum: Gounod’s „Faust“ in der Staatsoper *

Nachdem Faust und Mephisto, in Moenchskutten gewandet, auf der Vorderbuehne ihren Vertrag unterzeichnet haben, oeffnet sich der Vorhang vor einem hellen 3-Etagen-Raum mit vielen blinkenden, farbigen Leucht-Birnchen. Der Chor, in Freizeitklamotten wie aus einem billigen Warenhaus,  zappelt treppauf , treppab : Marionetten auf der grellen Geisterbahn. An der Rampe eilen Mephisto im weissen Jackett und Faust in Lederkluft etwas hilflos hin und her, waehrend die arme Margarethe im 3.Stock ihr Bett und Schmuckkaestchen findet. Nach der Pause ist die Buehne dann leer, vor glatten, silbernen Waenden eilt der Chor mit Einkaufstueten von rechts nach links und von links nach rechts. Mephisto traegt eine schwarze Priesterkluft,  Faust ein T-Shirt und Gretchen tastet sich im blutverschmierten Unterrock immer der Wand entlang bis sie sich am Ende die Kehle aufschlitzt. Die Waende fahren hoch und an einer festlich gedeckten Tafel lassen Damen und Herrn im kleinen Schwarzen das erloesende „Gerettet“ erklingen.  Der Regisseur dieses Ringelpiez auf dem modischen Theater-Jahrmarkt heisst Karsten Wiegand und ist Opern-Direktor am Nationaltheater in Weimar.
Musikalisch ist die Neuinszenierung gluecklicherweise in einer der Staatsoper angemesseren Liga beheimatet. Auch wenn hier einige Wuensche offen bleiben. So bemuehen sich Chor und Staatskapelle unter Alain Atinoglu um die spezifisch franzoesische Idiomatik von Gounod’s Musik, aber es fehlt dann doch Einiges an Clarte und Eleganz. Hervorragend der Faust des amerikanischen Saengers Charles Castronovo, er verbindet lyrische Geschmeidigkeit mit heller, strahlender Hoehe. Die Margarethe der Russin Marina Poplavskaya verfuegt ueber eine sehr schoene, warme Stimme, bat jedoch am Premierenabend wegen einer Indisposition um Nachsicht. Rene Pape hatte ebenfalls gesundheitliche Probleme, imponiert aber mit seiner tiefen Stimme, auch wenn der ironisch-boese Witz dieser Partie nicht ganz seinem Temperament entspricht. Sehr flexibel und elegant singt Roman Trekel  den Bruder Margarethes, Valentin, seine Kostuemierung als Street-Gang-Macho ist jedoch recht befremdlich .
Musikalisch also hoerenswert, szenisch ein Flop.

Foto: Monika Rittershaus / Staatsoper Unter den Linden