Zivilcourage: „Milk“ von Gus Van Sant

Im Januar 1978 wurde Harvey Milk als Abgeordneter fuer den 5.Distrikt in den Stadtrat von San Francisco gewaehlt: als erster bekennender Homosexueller. Nach elf erfolgreichen Monaten im Amt fiel er – gleichzeitig mit dem Buergermeister – dem Mordanschlag seines Abgeordneten-Kollegen und Gegeners Dan White zum Opfer. Kurz zuvor hatte Milk seine bisherigen Lebens-Erinnerungen in ein Diktiergeraet gesprochen – fuer den Fall seines Todes. Der Film erzaehlt nun in langen, klug geschnittenen Rueckblenden Harvey Milks Geschichte: vom Aufbruch des 40jaehrigen Bank-Angestellten in New York zu einem neuen, freien Leben in San Francisco, sein Eintauchen in die immer groesser werdende Schwulen-Gemeinde um die Castro-Street, sei erstes kommumalpolitisches Engagement, die mehrfachen, vergeblichen Versuche, sich waehlen zu lassen, die Anfeindungen durch politische und religioese Gegener, bis zum Erfolg im Januar 78. Geschickt verquickt der Film das private mit dem politischen Leben Milks, zeigt seine meist ungluecklichen Liebesbeziehungen ebenso wie sein geschickte, wortgewandtes und auch humorvolle buergerschaftliche Agieren, dem er letztlich seinen Stuhl im Rathaus verdankt. Dabei wird kein Heldenlied gesungen, sondern Schwaechen und Staerken Milks offen und mit optischem Reiz geschildert. Auch seine Gegener – ob die (dokumentarischen) Fernseh-Auftritte der Anita Bryant oder die (gespielten) Rede-Duelle mit dem stock-konservativen Senator Brigg – platte schwarz-weiss Argumentation wird vermieden. Eindrucksvoll besonders die schillernde Gestaltung des ehemaligen Polizisten, Gegenkandidaten und Moerders Dan White (Josh Brolin): anziehend und abstossend zugleich. Aber nicht nur die virtuose Regie von Gus Van Sant macht dieses engagierte Bio-Pic sehenswert, sondern vor allem die herausragende Verkoerperung Harvey Milks durch Sean Penn: bis in die kleinste Geste ueberzeugt er in jeder Sekunde: seine ehrliches Engagement fuer Buergerrechte, seine Zivilcourage, seine politische Attraktivitaet. Wenn etwas en dem Film stoert, so ist es eine gewisse Glaette, von den sehr diskreten Szenen im Schwulen-Milieu bis zur staendig unterlegten, gelegentlich allzu aufdringlichen Musik. Alle Irritationen oder subversiven Momente der fueheren Filmen Gus Van Sant’s („Elephant“. „Paranoid Park“)entfallen zugunsten einer zwar raffiniert-effektvollen, aber stehts vorhersehbaren Erzaehlweise. Ein bisschen Anpassung muss wohl sein, um den grossen Erfolg zu erlangen – ob im Studio in Hollywood oder im Rathaus von San Francisco