Bunt und mitreissend: „Slumdog Millionaire“ von Danny Boyle *****

Tempo,Tempo: Jamal Malik, etwa 20 Jahre alt, ist „Chai-Wallah“, Teeholer in einem Call-Center in Bombay. In der Fernsehshow „Wer wird Millionaer“  hat er es unerwartet bis zu letzten Frage gebracht. Doch nun wird er des Betrugs verdaechtigt und von der Polizei mit folteraehnlichen Methoden verhoert. Jamal erzaehlt, wie er die richtigen Antworten bisher fand: es sind Zufaelle, die seinem elenden Lebenslauf in den Slums der Grossstadt geschuldet sind: kaleidoskop-schnelle, filmische Rueckblenden.  Den Namen des beruehmten Filmstars weiss er, weil er als munteres Kind ein Autogramm von ihm ergattert hat; die gesuchte Person auf dem 100-Doller-Schein praegt er sich unfreiwillig ein, als ein finsterer Menschenhaendler versucht,  ihn und seine Kameraden zu Bettelkinder zu verkrueppeln. Das gesamte Leben Jamals erweist sich als hektische Flucht durch das indische Elend, auf Muellbergen,  in Zuegen,  zwischen gigantischen Hochhaus-Neubauten. Die Mutter wird bei religioesen Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Hindus erschlagen,  ihre beiden kleinen Kinder muessen sich seitdem allein durchs brutale Leben schlagen: ob als Touristen-Diebe im Taj Mahal,  ob als Klein-Zutraeger von lokalen Gangstern. Jamal’s innerer Antrieb, all diese Widrigkeiten robust und clever zu ueberstehen, ist seine Kindheits-Liebe zur schoenen, aber versklavten Gangstergespielin Latika, die ihm jetzt im Fernsehn bei der letzten und entscheidenden Frage zuschaut, so wie das die Massen in ganz Indien tun.  Das Happy End im Stil von Bollywood mit Gesang und Tanz laesst nicht lange auf sich warten.
Die mitreissende Vitalitaet des Films gelingt dem britischen Regisseur Danny Boyle vor allem durch staendige Bewegung. In atemberaubenden Tempo und knalligen Kontrasten wechseln die bunten Bilder, durch virtuose Kamerafahrten und raffinierte Schnittfolgen entfaltet sich so ein fantastisches Maerchen aus dem heutigen Indien, das aeusserst geschickt und intelligent Realitaet und Fiktion ausbalanciert. Alle Klischees ueber den Subkontinent und seine Lebensweise werden bedient und in ihrer oft grausamen Realitaet gezeigt, werden aber gleichzeitig als schoene Traum- und Kinowelt auf liebeswurdige Weise ueberhoeht. Und grossartigen Darsteller, besonders die Kinder, verhelfen dem vor Energie strotzenden Film zu anruehrenden Charme, der durch sanfte Ironie jeglichen Kitsch vermeidet.

Foto/Verleih: Prokino

zu sehen: Odeon (OmU); Hackesche Hoefe (OmU); CineStar in SonyCenter (OF); Delphi; International; Kulturbrauerei; Zoo-Palast u.a.