Wilde Klamotte: Donizetti’s „Viva la mamma“ im Magazin der Staatsoper **

Der italienische Original-Titel lautet „le convienze ed inconvienze teatrali“, was so viel wie „Sitten und Unsitten am Theater“ bedeutet. Gaetano Donizetti macht sich in diesem Einakter, den er 1827 fuer Neapel schrieb, ueber die damaligen Zustaende von italieneschen Operntruppen lustig – eher liebevoll als boesartig. Haupt-Gag der kleinen Farce mit gesprochenen Dialogen (im neapolitanischen Dialekt) war die Besetzung der Rolle von Mamma Agata mit einem Bass-Bariton – damals wie heute amusiert sich das Publikum ueber diese gelungene Travestie. Ihre beiden Arien sind neben denen der „Primadonna“ das komische Zentrum der Oper, ansonsten bezaubert diese anderhalb-stuendige Buffa vorrangig durch spuehende Ensemble-Szenen.
Leider erweist sich die schmale, hohe Innenhalle des Magazins fuer die leichte, „trockene“ Art der Musik Donizetti’s durch ihren langen Nachhall als problematisch: differenzierte Abstufungen verschwimmen in einem allgemeinen, lauten Sound (wobei davon die einzelnen Sitzreihen des flachen Parketts unterschiedlich betroffen sind). Doch das kleine Orchester aus Mitgliedern der Staatskapelle und ihrer Orchesterakademie kaempft tuechtig dagegen an, vor allem dank der schwungvollen Leitung seines sueafrikanischen Dirigenten Neville Dove. Und die Saenger legen ihrem musikalischen und darstellerischem Temperament keine Zuegel an; mit Volldampf werfen sie sich ins turbulente „Theater auf dem Theater“ – allen voran der ukrainische Bariton Viktor Rud als resolute Mamma Agata sowie die kroatische Sopranistin Evelin Novak als blond-zickige Primadonna mit ausladender Koloratur. Daneben vermag sich noch der Argentinier Fernando Javier Rado als jugendlich-ungestuemer „Maestro“ profilieren. Die uebrigen Saenger hat Donizetti solistisch ziemlich stiefmuetterlich behandelt und sie nur in den Ensembles zu Geltung kommen lassen. Was ein bisschen schade ist, da alle Mitwirkenden der Auffuehrung  Angehoerige des Internationalen Opernstudios der Staatsoper sind und mit ihren schoenen und flexiblen Stimmen das hohe musikalische Niveau dieser Nachwuchfoerderung eindrucksvoll unter Beweis stellen.
Schwachpunkt des musikalischen Spasses zum Abschluss der Saison ist die Regie (Hinrich Horstkotte). Statt einer ausziselierten Komoedien-Choreographie – zappelige Turbulenz. Statt einer Parodie auf alte Theater-Unsitten – ein laienhafter, platter Schwank in modischer, wenig eleganter Freizeitkleidung. Ein paar witzige Anspielungen in den gesprochenen Dialogen (etwa auf die misslungene „Lustige Witwe“ der Staatsoper) und einige effektvolle Auftritte, die den weiten Raum des Magazin ausnutzen, koennen kaum verhindern, dass – was die Regie betrifft – Donizetti’s huebsche Farce zur bieder-platten, deutschen Klamotte missraet.
Viva la musica !

Foto: Monika Rittershaus/Deutsche Staatsoper