Treppauf / Treppab: „Hamlet“ in der Komischen Oper ***

Urauffuehrung einer neuen Oper in der Behrenstrasse: der in Berlin lebende Komponist Christian Jost (Jahrgang 1963) hat sich nach Shakespeare’s Tragoedie eine eigene Fassung – bassierend auf der Schlegel’schen Uebersetzung – geschrieben und vertont. In 12 Kapiteln oder Bildern schildert er die Ereignisse am daenischen Hof als eine Reise des jungen Hamlet zu sich selbst, als bestuertzende Erfahrungen mit einer boesen Welt, schillernd zwischen Traum und Wirklichkeit,  zwischen „Sein und Nichtsein“. Der Text (ueberwiegend deutsch, gelegentlich im englichen Original) ist verkuerzt, Nebenhandlungen sind gestrichen, der Geist von Hamlet’s Vaters wird in mehrere Personen aufgespalten, Hamlet selbst von einer Frau gesungen.
Die Musik begleitet und kommentiert das Geschehen, atonal grundiert, aber den saengerischen Moeglichkeiten und Raffinessen wird breiter Raum gegeben.  Das gross-besetzte Orchester legt dramatisch-effektvolle Klangflaechen aus, vermag aber auch sanft-lyrische Stimmungen zu erzeugen. Traditionelles und Zeitgenoessisches werden geschickt und publikumsfreundlich verbunden: intelligent, professionell, ohne zu schockieren.
Intendant Andreas Homoki inszeniert die – vom Haus in Auftrag gegebene – Urauffuehrung hoechstpersoenlich, sein staendiger Buehnenbildner Wolfgang Gussmann entwirft die Gesamt-Ausstattung. Der schwarze Buehnen-Raum wird von einer riesigen weissen Scheibe beherrscht, die von einer ebenfalls weissen Wendeltreppe durchbohrt wird. Da die Scheibe mal hochgezogen mal herabgefaehren wird, entsteht der Eindruck eines mehrstoeckigen Hauses oder Palastes. Alle Personen sind gleich gekleidet: weiss von Kopf bis Fuss, lediglich Koenig Claudius traegt gelegentlich eine Krone, Rosenkranz und Gueldenstern spielen mit (natuerlich) weissen Schirmen. Die Beleuchtung taucht die traumhaften Szenen in magisch-blaeuliches Licht, ansonsten hetzten alle Personen staendig die Wendeltreppe auf und ab. Und aus deren Tiefe tauchen immer wieder lemurenartige,schwarze Wesen auf, ein duesterer Chor innerer Stimmen oder Sprachrohr fuer den Geist von Hamlet’s Vater. Aesthetisch ist diese abstakt-minimalistische Inszenierung sehr schoen anzusehen, aber auf die Dauer – immerhin fast 3 Stunden – tritt sie auf der Stelle und ermuedet durch staendige Wiederholungen – trotz des hektischen Treppauf – treppab.
Stella Doufexis, Ehefrau des Komponisten, singt den Hamlet als betont jungen Mann, mit stroemend-hellem Mezzosopran, gleichsam ein Bruder des Rosenkavalier-Octavian – wenn auch mit schrecklichem Ende. Daneben die dramatische Gertrud Ottenthal als Mutter und Koenigin, Jens Larsen als bass-fieser Claudius sowie Karolina Andersson, ueberzeugend mit gestochen-hohen Koloraturen als wahnsinnige Ophelia. Besonderes Lob gebuehrt dem schwarz verhuellten Chor, der sehr differenziert den duesteren Hinter- oder Untergrund-Sound gestaltet,  wie auch dem Orchester der Komischen Oper, das unter Generalmusikdirektor Carl St.Clair ebenso dramatisch-vielfarbig wie atmosphaerisch-einfuehlsam spielt.
Zeitgenoessisches Musiktheater, auf hohem Niveau geschrieben und inszeniert –
vielleicht eine Spur zu glatt , zu kunst-handwerklich.

Foto: Komische Oper        Naechste Auffuehrungen: 27.6. // 2./7./12./ 19.7