Getanzte Soap-Opera: „Das flammende Herz“ in der Staatsoper **

Der engliche Dichter Percey Shelley (1792-1822) fuehrte das, was man heute ein „romantisches“ Leben nennt. Heitere Jugend, Studium in Oxford, revolutionaere Poeterei, Kuenstlerfreundschaften und freizuegiges Liebesleben, abenteuerliche Reisen und frueher Tod beim Segeln im italienischen Mittelmeer. Ideale Vorlage fuer ein gefuehlvolles Melodram – in diesem Fall auf der Ballettbuehne.

Der franzoesische Choreograph Patrice Bart, der schon mehrmals fuer das Staatsballett gearbeitet hat, inszeniert Shelley’s Leben brav chronologisch in zwei Teilen: der erste spielt in England, der zweite in Italien. Natuerlich liest oder schreibt Shelley haeufig in einem Buch, meistens aber umtanzt er eine seiner zahlreichen weiblichen Musen. Die Buehnenbilder (Ezio Toffolutti) – meist aus wehenden Vorhaengen bestehend – deuten die sich rasch wandelnden Schauplaetze nur abstrakt an: Salons in England, Gassen in Venedig, den Hafen in La Spezia. Kombiniert mit den eleganten, historischen Kostuemen (Luisa Spinatelli) ergeben sich so bunte Bilder , die die Taenzer mit fliessenden Bewegungen und klassischen Posen beleben. Alles sehr huebsch anzusehen, aber doch sehr oberflaechlich und glatt. Der Dichter und seine Frauen als gefaelliges Relief, Charackterzeichnung oder psychologische Tiefen werden ausgespart. Sattdessen schreitet eine Taenzerin mit langer, roter Seidenschleppe (Nadja Saidakowa) immer wieder bedeutungsschwanger durch einzelne Szenen und verleiht so als „das Schicksal“ dem Leben Shelley’s die pathetische, hoehere Weihe…
Vladimir Malakhov, Intendant und erster Solist des Staatsballetts, verkoerpert selbst den romantischen Poeten  -  mit seinen 40 Jahren immer noch ein bewundernswerter Taenzer, aber er laesst doch inzwischen jugendliche Spannkraft und strahlende Attraktivitaet etwas vermissen. Zumal bei dieser Choreographie, die ausschliesslich auf gefaelligen Glanz und Schaueffekte setzt.
In dieser Hinsicht lassen die weiblichen Stars (u.a.Polina Semionowa, Beatrice Knop, Elena Pris) kaum Wuensche offen, wie auch das gesamte Ensemble sich von seiner besten Seite zeigt.
Der amerikanische Dirigent Ermanno Florio hat aus Kompositionen von Felix Mendelssohn-Bartholdy einen passenden musikalischen Teppich gewoben und die Staatskapelle mit bewaehrter Routine angeleitet – romantischer geht’s nimmer!
Ein romanhaft bewegter Lebenslauf,  ein konservativ choreographiertes „Bio-Pic“, leider ohne Biss und Tiefenschaerfe, aber elegant getanzt : der Kassenerfolg scheint garantiert.

Foto: Enrico Nawrath/Staatsballet Berlin    Naechste Vorstellungen: 28.6./ 2.7.