Grelle Zirkus-Show: Verdis „Rigoletto“ in der Komischen Oper **

Die kleine, schwarz umrandete Buehne zeigt einen leeren, hellen Raum ohne Tueren. In der Mitte steht zu Beginn eine schreiende Figur: grinsender Schwellkopf, riesige Tuell-Krinoline in Weiss und Silber – der maskierte Rigoletto.  Aus seinem Rock purzelt rasch die als Clowns geschminkete Hofgesellschaft samt ihres Herzogs, der einen rosaroten Anzug und gegeelte Haare traegt. Eine wilde Orgie mit einem aengstlich-nackten Maedchen und ihrem zum Tode verurteilten Vater: dieser verflucht noch den ueberheblichen Hofnarren , dann ab in die Zauber-Kiste. In einem aehnlichen bemalten Variete-Kasten versucht spaeter Rigoletto seine Tochter Gilda vor dem luesternen Herzog zu verstecken:  vergebens natuerlich. Das Finale ist ebenso tragisch und wie grotesk: wahrend der Herzog zu seiner (in italienisch) gesungenen Arie „La donna e mobile“ mit der Zirkus-Artistin Maddalena die Nummer von der zersaegten Jungfrau praesentiert,  kriecht die blut-ueberstroemte, hochschwagere Gilda vor ihrem verbluefft-erschuetterten Vater Rigoletto aus einer der Zauberkisten – ein Bild wie aus dem Horror-Kintopp:  Black out.
Barrie Kosky, kuenftiger Intendant der Komischen Oper, liebt die Show („Le Grand Macabre“, „Kiss me Kate“) und dementsprechend siedelt er „Rigoletto“ im Milieu des Varietes an: eine Mischung aus Clownerie und Groteske – eine grelle, putzmuntere Horror-Picture-Show. Dank Kosky’s plastischen Personenregie, dank bunter Kostueme und raffinierter Effekte – alle Personen muessen durch Falltueren im Buehnenboden auf- und abtreten – vermag das Konzept ueber weite Strecken gut zu unterhalten, beruhrt aber mehr das Auge als das Herz. Grand Guignol statt Tragoedie.
Der junge Kapellmeister Patrick Lange nimmt Kosky’s Sicht voll auf, dirigiert den Rigoletto als dramatisch-wuchtige Moritat, laesst die einzelnen Nummern fast pausenlos auf einander donnern, weiss aber auch lyrische Momente als zart-transparente Ruhepunkte leuchten zu lassen. Eine ueberzeugende Leistung.
Die Saenger koennen natuerlich nicht an den luxurioesen Mass-Staeben der grossen Opernhaeuser gemessen werden, bilden aber ein in sich ueberzeugendes, engagiertes Ensemble. Der Ire Bruno Caproni mit fuelligem Bariton in der Titelrolle, die Russin Julia Novikova als Gilda mit schoenen Piani und der Mexikaner Hector Sandoval mit etwas flachem Tenor als Herzog. Exzellent in den kleinen Rollen: Dimitry Ivashchenko (Sparafucile im weissen Seidenanzug) und Christiane Oertel (Maddalena im gold-violetten Trikot). (Aus Gruenden des Repertoir-Betriebes sind alle Rollen doppelt besetzt).
Wie immer hervorragend: der von Robert Heimann einstudierte Herrenchor der Komischen Oper – praezise singend, temperamentvoll agierend in seinen huebschen Clowns-oder
Affen-Kostuemen.
Warum aber muessen die internaltionalen Saenger sich mit der deutschen Sprache abquaelen – wie man deutlich hoeren konnte -, wenn die Komische Oper seit dieser Spielzeit ueber eine neue Bestuhlung mit diskret eingebautem Uebersetzungs-Display verfuegt?  Zumal die italienische Sprache das vokale Niveau deutlich verbessern koennte.
Ein alter Zopf, der nicht abgeschnitten werden darf ? Warum?

Foto: Iko Freese / drama-berlin.de / Komische Oper Berlin