Liebenswuerdig: „Die Straende von Agnes“ von Agnes Varda ****

Dokumentarfilm der franzoesischen Regisseurin Agnes Varda ueber ihre eigene Biographie. In collagehafter Technik erzaehlt sie von ihrer Kindheit in Bruessel, ihrer Jugend  im suedfranzoesischen Sete (zur Zeit des Vichy-Regimes), von ihren beruflichen Anfaengen als Fotografin bei dem grossen Theatermann Jean Vilar, von ihren ersten Filmen, von ihrer Freundschaft und Verbindung zu den Regisseuren der Nouvelle Vague, aber vor allem von ihrer lebenslangen Liebe zu Jacques Demy und dem Alleinsein nach dessen fruehem Tod.
Mit ihrer glatten Pagenfrisur und in immer neuen huebschen Gewaendern spielt sie sich selbst: „…eine kleine Alte, etwas rundlich und schwatzhaft..“, wie sie sich zu Beginn des Films leicht ironisch charakterisiert. Reizvoll mischt sie Stile und Genres, bewegt sich in echten oder nachgebauten Raeumen, in denen sie einst lebte und arbeitete, zeigt Fotos und Auschnitte aus ihren Filmen oder Videoschnippsel aus dem Privatleben. Sie erinnert sich an Reisen in das China der fuenfziger, in das Kuba der sechziger Jahre oder an ihre Zeit im Hollywood der Hippies und Vietnam-Demonstranten.
Spaeter kaempft sie – zurueck in Frankreich-  als „sanfte“ Feministin fuer Abtreibung und weibliche Emanzipation – auch wenn sie nie eine explizit politische Filmautorin wurde.
Doch Agnes Varda versinkt nicht nur in Nostalgie, vielmehr praesentiert sie sich auch als Achzigjaehrige immer noch als patente Person, die Mitmenschen und Umwelt neugierig-freundlich erforscht und portraetiert: die eigenen Kinder und Enkel, die einstigen Freunde und  Weggefaehrten oder bisher Unbekannte wie zum Beispiel der Spielzeug-Eisenbahnfreak, der jetzt in der Bruesseler Wohnung ihrer Kindheit lebt.
Auch der Titel des Films deutet ihre mal spielerische, mal nachdenklich-melancholische Lebensauffassung auf poetische Weise an: Straende sind fuer sie – symbolisch – Orte, die nicht altern und an denen viele wundersame Dinge angeschwemmt werden…
Ein ebenso charmantes wie unterhaltsames Eigen-Portraet – allerdings nur fuer Kenner franzoesischer Filmgeschichte, sonst versteht man weitgehend statt „Straende“ nur „Bahnhof“.

Foto/Verleih: Film KinoText

zu sehen: Cinama Paris (OmU) Sa/So 13.15 Uhr