Grau in grau: „Die Frau ohne Schatten“ in der Deutschen Oper **

Ein duesterer, von zwei riesigen Falken-Statuen beherrschter Vorsaal, der Kaiser, im feschen Lodenjankerl, bricht  zur Jagd auf, waehrend die Kaiserin, Tochter eines Geistes, in fliessend-weissem Gewand um ihren fehlenden Schatten, dem Zeichen ihrer Kinderlosigkeit, bangt. Doch die Amme, hochgesteckte Silberfrisur, strenges dunkles Schneiderkostuem, weiss Rat: der unbefriedigten Faerbersfrau soll deren Schatten abgehandelt werden. Deshalb Ehedrama im proletarisch-armen, niedrig-schmalen Raum zwischen dem gutmuetigen Faerber und seiner blonden Frau, die keine Kinder will. Nach langem Hin und Her (und drei langen Akten) Versoehnung in einer fahlen Mondlandschaft zwischen beiden Paaren, dem hohem und dem niederen, nachdem die intrigante Amme zuvor noch mit einem schnellen Pistolenschuss beseitigt wurde. Allgemeiner Jubel ueber das Glueck der Mutterschaft…
Die kurz nach dem 1.Weltkrieg uraufgefuehrte Oper von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss wirkt in ihrer konservativen Haltung heute – textlich wie musikalisch – ziemlich kunstgewerblich und bombastisch – auch wenn Strauss seine Partitur mit groesster Raffinesse zu instrumentieren wusste.
Leider betont die Inszenierung der Intendantin Kirsten Harms die Schwaechen dieser symbol-ueberladenen Maerchenoper statt sie zu ueberspielen. Bieder und in konventionellem Buehnenrealismus wird die Story nacherzaehlt, die Personen hangeln sich in bekannten Saenger-Posen durch die duestern, schwarz-grau-weissen Bilder (Ausstattung Bernd Damovsky), auf alles Maechenhaft-Fantastische wird weitgehend verzichtet. Vom schillernd-opulenten, moralischem Laeuterungs-Drama bleibt nur ein szenisch blasses, uninteressantes Gerippe.
Auch die musikalische Seite zuendet in dieser Neu-Produktion nicht voll . Zwar vermag das Orchester der Deutschen Oper unter dem energischen Ulf Schirmer die ueppige Farbigkeit der Strausschen Partitur wunderbar auszukosten, bleibt aber der differenzierten Dynamik einiges schuldig: das durchgehende, laute Dauerforte klingt haeufig nur hohl und zwingt die Saenger allzu oft zu schrillem Schreien. Als maedchenhafte Kaiserin hat Manuela Uhl einige Muehe mit ihren Koloraturen, Doris Soffel muss als herrisch-strenge Amme allzusehr keifen,  Robert Brubaker stemmt ziemlich angestrengt die hohen, kaiserlichen Toene und Eva Johansson’s schrill-kreischende Faerberin findet erst im 3.Akt zu innigeren Momenten. So wird Johan Reuter in der Rolle des Faerbers Barak zum Star des vierstuendigen Abends: allein sein schoener, kraftvoller Bariton bringt die Strauss’sche Melodik zum wirkungsvollen Strahlen und Leuchten. Die zahlreichen kleineren Rollen sind aus dem hauseigenen Ensemble ueberwiegend treffend und gut besetzt, ebenso Chor und Kinderchor.
Zwei sehr beachtete Inszenierungen (Boehm/Sellner 1964; Thielemann/Arlaud 1998) hat die Deutsche Oper seit ihrem Bestehen geboten, erfolgreich, wenn auch nicht unumstritten, und den kuenstlerischen Rang des Hauses bestaetigend – die jetzige neue und dritte Produktion kann da kaum mithalten.

Foto:Marcus Lieberenz/Deutsche Oper

naechste Vorstellungen: 11.und 18.Oktober, 5.und 13.Dezember