Chargen-Stadl: „Der Barbier von Sevilla“ in der Deutschen Oper ***

Sevilla liegt in dieser Inszenierung von Katharina Thalbach am Meer. Scharen von Touristen in Bikini und Badehose, Kinder mit Ball und Gummi-Delphinen, wuselnde Kellner in langen Schuerzen und ein hipper Friseur-Salon vor einer suedlich anmutenden Haeuserfront: dazu ein Moench mit echtem Esel, kichernde Nonnen, verwegene Radfahrer. Doch dann erscheint, gezogen von einem gruenen Traktor, ein riesiger brauner Holzkasten auf Raedern, der sich schnell als aufklappbares Theater-Mobil entpuppt. Und dort wird flotte „Comedia del Arte“ chargiert: die Geschichte vom alten Doktor Bartolo, der sein Muendel Rosina heiraten will, aber vom jungen Grafen Almavia ausgestochen wird – natuerlich mit Hilfe des findigen Barbiers Figaro. Ein tolle Klamotte: die zuschauenden Touristen staunen nur so, welche Verkleidungen und Tricks die -  immer im Takt der Musik huepfenden -  Schauspieler sich einfallen lassen: der trottlige Bartolo mit allerlei „Besteck“ im weiten Morgenrock, der Musiklehrer Basilio als komischer Don Quixotte mit Spitzbart, ein agiler Graf im seiden-glaenzenden Outfit eines farbigen Entertainers aus Hollywood, der seinen Kopf unter Rosinas bunt-karierten Rock steckt und ihr so die vergnueglichsten Koloraturen entlockt.
Nachdem im ersten Finale die Touristen noch mit Plakaten demonstrieren („Nie wieder Billig-Torismus“, „Freiheit fuer die Kunst“), verwandeln sie sich im zweiten Teil langsam selbst in groteske Musical-Figuren a la „Sweeny Todd“ – bei der Thalbach ist eben die ganze Welt ein Theater – Schmiere hin – Klamotte her !
Musikalisch haelt der junge spanische Dirigent Enrique Mazzola die Faeden so gut es geht zusammen: bei dem kuterbunten Buehnenwirbel keine leichte Aufgabe – der Fluss der Musik kommt dabei manchmal ins Schleudern. Die Saenger (alle Hauptpartien sind wegen der zahlreichen Repertoirevorstellungen doppelt besetzt) haben sichtlich Spass an den vielen Gags, singen und agieren mit Temperament und Laune – auf hohem Niveau.
Katharina Thalbach und ihrem Team (Buehne:Momme Roehrbein, Kostueme: Guido Maria Kretscmer) ist ein (erwartbarer) grosser Publikumserfolg gelungen. Als alter Theaterhase weiss sie eben , wie man Maeuse mit Speck faengt. Die Kasse kann jubeln.

Foto: Matthias Horn/Deutsche Oper Berlin

naechste Vorstellungen: 31.12.09 (15 und 19.30 Uhr)