Liebe, Poesie und Tod: „Bright Star“ von Jane Campion ****

Im Jahr 1818 lernt Fanny Bawne, die mit Mutter und Geschwistern im damals noch laendlichen Londoner Vorort Hampstead lebt und ein bescheidenes Auskommen als Schneiderin verdient, den 22-jaehrigen, bislang erfolglosen Dichter John Keats kennen und lieben. Eine Heirat verbietet sich wegen Keats‘ mangelnder Finanzen. Ausserdem erkrankt der Dichter, genau wie sein kurz zuvor gestorbener Bruder, an Tuberkulose. Freunde vermitteln ihm einen laengern Aufenthalt, der Linderung verspricht, im suedlichen Rom, doch Keats stirbt dort ein Jahr spaeter (1821).
Die neuseelaendische Regisseurin Jane Campion schildert diese historische Liebesgeschichte aus dem Blickwinkel Fannys: zeigt sie als selbstbewusstes, schlagfertiges und lebens-neugieriges junges Maedchen, das in seiner Scheiderkunst ungewoehnlich talentiert ist, sich selbst die raffiniertesten Kleider und Huete kreiert. Ihr gegenueber wirkt Keats sehr viel passiver und zurueckhaltender, dafuer aber besingt er Fanny in seinen poetischen Briefen und Gedichten, u.a. im Titel gebenden Sonett „Bright Star“.
Der Film zeigt die aufbluehende, erste Liebe der beiden jungen Menschen in elegant ausbalancierten Naturbildern – blumenuebersaeten Wiesen, einem Zimmer voller taumelnder Schmetterlinge, winterlich-stillen Parklandschaften.  Kontrastiert von der sorgfaeltig-genauen Beschreibung des sozialen Umfeldes – den Teegesellschaften und dem haeuslich-bescheidenen Alltag der Familie Brawn mit seinen sehr britischen, oft leicht ironischen oder humorvollen Umgangsformen und Gepflogenheiten.
Die Australierin Abbie Cornish und der Brite Ben Whishaw scheinen die ideale Verkoerperung des (spaeter) beruehmeten Liebespaares zu sein, aber auch die uebrigen Darsteller – Paul Schneider als Keats egozentrischer Freund Brown, Kerry Fox als Fannys klug im Hintergrund agierende Mutter – sind vorzueglich ausgesucht.
Jane Campion gelingt in „Bright Star“ die anruehrende Verlebendigung einer vergangenen Zeit und zeigt zugleich, dass deren Menschen und deren Gefuehle uns heute so fern nicht sind. Sie erzielt diese Wirkung neben den optischen und dramaturgischen Raffinessen besonders durch den sensiblen Umgang mit der (englischen) Sprache – sei es in erfundenen Dialogen oder in ausfuehrlichen Keats- Zitaten. Ein Film, der trotz ueppig-prachtvoller Bilder und dichterischer Worte hohles Pathos oder suesslichen Kitsch meidet . Wenn auch ein paar Sequenzen zu lang : kein Bio-Pic, sondern ein klassischen Liebesdrama ohne aufgeschminkte, falsche Historie.

Foto/Verleih: Tobis

zu sehen: CineStar Sony Center OV; Hackesche Hoefe OmU; Odeon OmU; Filmkunst 66; Capitol; CinemaxX Potsdamer Platz u.a.