Schwan mit Fragezeichen: „Lohengrin“ in der Oper Leipzig ****

Peter Konwitschny hat seine beruehmt gewordene “Lohengrin” Inszenierung aus der Hamburgischen Staatsoper in Leipzig neu einstudiert und damit auch in Wagners Geburtsstadt seinen grossen, inzwischen internationalen Erfolg wiederholen koennen – einigen Kopfschuettlern zum Trotz.
“Lohengrin” ist hier in einem wilhelminischen Klassenzimmer angesiedelt und erzaehlt auf turbulente, mal groteske, mal anruehrende Weise die Geschichte eines Traumes, der an der realen Umgebung scheitert, ja scheitern muss. Kindliche Phantasie ermoeglicht das Erscheinen eines wunderbaren Helden, seinen Kampf gegen das Autoritare und Boese, die ersehnte Hochzeit mit ausgelassenen Taenzen im kunterbunt geschmueckten Schulzimmer – aber auch der Absturz in eine bittere, schwarze Realitaet : Elsa spuert, auf welch gefaehrlichen Trip sie sich eingelassen hat, stellt sehr bewusst die verbotene Frage, die ihren Traum zerstoert und die harte Wirklichkeit wiederherstellt: am Ende taucht aus der Versenkung, in der Lohengrin verschwand, der verlorene, kleine Bruder auf – mit Helm und Gewehr.
Doch bei allem intellektuellem Ernst der Konwitschny-Konzeption, ueberzeugt die Inszenierung durch ihre komoediantische Spiel-Lust, in der sich Scherz, Satire, Ironie und tiefere Beeutung mit heiterer Leichtigkeit verbinden. Und die gleichzeitig Wagners romantische Musik trefflich zu schoenster Geltung bringt: die traumhaften Klaenge um Lohengrin, die daemonische Dramatik der Gegenspielerin Ortud oder das strahlende Trompeten-Geschmetter des Koenigs und seiner Mannen. Ueberraschende Einfaelle, eine ausgefeilte Personenregie und ein prachtvoll-komoediantischer Chor – selten wird Wagner so ungewohnt und dennoch zutreffend, so verblueffend und gleichzeitig klug, vor allem aber so unterhaltsam gespielt – da stoert es auch kaum, dass Generalmusikdirektor Ulf Schirmer allzu breite Tempi bevorzugt und insgesamt etwas pauschal dirigiert, oder dass die Saenger der Nebenrollen einige Wuensche offenlassen.
Der Chor, einschliesslich einiger in Kostuem mitspielenden Musiker, singt und agiert hinreissend, ob als aumuepfig-tobende Schulklasse oder als pruegelnd-biederes Aufsichtspersonal. Stefan Vinke : ein huebsch-maennlicher Lohengrin mit hellem Stimmklang, Gun-Brit Barkmin: eine kesse, tempramentvolle Elsa mit maedchenhaft-leuchtendem Sopran, Hans-Joachim Ketelsen: ein etwas grobschlaechtiger, kerniger Telramund, Susan Maclean: eine freche, hinterfotzige Ortrud.
Einen Schwan gibt’s auch bei Konwitschny nicht, dafuer aber einiges zu denken und viel zu schmunzeln.

Foto: Andreas Birkigt/Oper Leipzig

Premiere: 18.12.09 / naechste Vorstellung: 6.3.10