Auf dem Pulverfass: „Ajami“ von Scandar Copti und Yaron Shani ****

Das ueberwiegend von Arabern bewohnte, etwas aermliche Stadt-Viertel „Ajami“ am Suedrand von Tel Aviv spiegelt – so will es dieser Spielfilm – die Verhaeltnisse im Nahen Osten hautnah. Mehrere Einzelschicksale familiaerer Art werden kunstvoll verknuepft. Der 19-jaehrige Omar muss seine Familie vor der Rache eines verfeindeten Clans schuetzen.  In einer – fuer europaeisches Rechtsempfinden – grotesken Gerichts-Szene (Maenner in einem Zimmer auf Teppichen sitzend) werden Mord oder Todschlag gegen riesige Geldsummen aufgewogen. Obwohl persoenlich voellig unschuldig, muss Omar nun zum Schutz von Mutter, Grossvater und Geschwister das entsprechende Geld auftreiben. Ein etwas undurchsichtiger, arabischer Restaurantbesitzer christlichen Glaubens hilft ihm dabei,  als aber der Moslem Omar mit dessen Tochter anbaendelt,  werden Freundschaft wie Unterstuetzung ihm sofort entzogen. In selben Restaurant arbeitet – illegal – auch der 16-jaehrige, palaestinensische Grenzgaenger Malek, um seiner Mutter in Ramallah die teure Rueckenmarktransplantation zu ermoeglichen. Omar und Malek freunden sich mit einem Kreis von Drogenhaendlern an (einer von ihnen arbeitet als Koch im Restaurant) und versuchen ebenfalls in dieses lukrative Geschaeft einzusteigen. Hier kommt dann der israelische Polizist Dando ins toedliche Spiel, der erkennen muss, dass sein Bruder von dieser arabischen Drogenhaendler-Bande aus nichtigem Grund erstochen wurde. Und am Ende mischt sich unerwartet auch noch Omars kleiner Bruder in die immer wilder kreiselnde Gewalt-Spirale ein.
Die beiden Regisseure Scandar Copti und Yaron Shani, ein arabischer Christ und ein israelischer Jude, haben ihrer Geschichten nach wahren Ereignissen gestaltet und ihre (ueberzeugend gespielten) Figuren mit Laien besetzt. Dadurch gewinnt der spannend und rasant gedrehte Film den Anschein hoher Wahrscheinlichkeit. Alle Probleme, die im juedisch-arabischen Umfeld von Tel Aviv taeglich explodieren koennen, sind in die 2 Stunden Spielfilm gepresst: menschliche, soziale, religioese und damit (am Rande) auch die politischen des Staates Israels. Dabei enthalten sich die Regisseure weithin jeder moralisch-einseitigen Verurteilung, zeigen vielmehr Unrecht oder Menschlichkeit auf allen Seiten – vielleicht ein wenig zu (politisch) korrekt.  Die gravierende Schwaeche des Films liegt jedoch in seiner allzu unuebersichtlich-komplizierten Handlungs-Struktur, seiner dramaturgischen Ueberfrachtung. Weniger verwickelte Geschichten, einfachere Verkuepfungen und klarere Erzaehl-Strukturen haetten den gefaehrlichen, immer explosiven Alltag der Menschen in Ajami – als Parabel fuer den ganzen Nahen Osten – noch eindrucksvoller und nachhaltiger erscheinen lassen. Dennoch: sehenswert.

Foto/ Verleih: Neue Visionen

zu sehen:  Hackesche Hoefe (OmU); Movimento (OmU); Broadway; Filmtheater am Friedrichshain; Kulturbrauerei; Neues Off