Boese Einblicke: „Staats-Sicherheiten“ im Hans-Otto-Theater Potsdam ****

Im Oktober 2008 fand im Potsdamer Hans-Otto-Theater die Urauffuehrung des Dokumentar-Stueckes „Staats-Sicherheiten“ statt. Zunaechst waren nur drei Vorstellungen angesetzt, doch der anhaltende Erfolg sowie die Auszeichnung mit dem Berliner „Friedrich-Luft-Preis“ erzwangen weitere Auffuehrungen,  die im Jahr darauf noch durch ein zweites, aehnlich erarbeitetes Werk unter dem Titel  „Vom Widerstehen“ ergaenzt wurde. Beide Stuecke befinden sich weiterhin im Repertoire des Potsdamer Theaters.
In „Staats-Sicherheiten“ berichten 15 ehemalige DDR-Buerger persoenlich ueber ihre damaligen Schicksale, vor allem ueber ihre schrecklichen Erfahrungen mit dem Staatssicherheitsdienst. Darunter prominente wie die Buergerrechtlerin Vera Lengsfeld (Jhg.1952) oder die Fernsehansagerin Edda Schoenherz (Jhg.1944), aber auch unbekannte wie Hans-Eberhard Zahn, der Aelteste (Jhg.1928), der durch innwendiges Gedichte-Rezitieren die Isolierhaft ueberlebte, oder Mario Roellig (Jhg.1967) der juengste, der verurteilt wurde, weil er sich weigerte, Spitzeldienste fuer die Stasi zu liefern.
Alle schildern – mehr oder weniger sprach-gewandt – ihre unerwartete, ploetzliche Verhaftung, ihre demuetigende Untersuchungshaft, ihren – allen rechtlichen Normen Hohn sprechenden – Gerichts-Prozess, die sich anschliessende. oft menschenunwuedige Haftstrafe in den Zuchthaeusern der DDR, sowie ihre Freilassung und die sich daraus ergebenden Folgen fuer den weiteren Lebensweg – politische oder traumatische Schicksale, die besonders anruehrend sind: wenn zum Beispiel Heidelore Rutz in einem Kieler Kaufhaus die von ihr im Gefaengnis unter physischem Druck gefertigte Bettwaesche entdeckt.
Die Journalistin Lea Rosh und die Psychologin Renate Kreibich-Fischer hatten die Idee zu diesem Dokumentar-Theater, haben auch in Zusammenarbeit mit den Betroffenen die dramaturgische Fassung entworfen – eine kunstvoll-verknuepfte Collage der unterschiedlichen Berichte.  Regisseur Clemens Bechtle gestaltet daraus – mit nur wenigen Requisiten wie Stuhl, Tisch oder Pritsche sowie einigen projezierten alten Portraet-Fotos der jeweils Berichtenden -  eine sich geschickt-ueberlappende Szenenfolge: einen knapp zweistuendigen, pausenlosen Abend ohne theatralische Girlanden. Stephan Krawczyk laesst akustisch  mit ein paar Toenen seiner Maultrommel und einigen nachdenklichen Liedern die unheimliche Atmosphaere jener Tage hoerbar werden.
Ein Abend, bei dem die aesthetischen Mittel nur eine untergeordnete Rolle spielen; ein Abend, der ohne Larmoyanz und schaeumendem Eifer berichten und aufklaeren will.
Bewundernswert sind Mut und Widerstandskraft der 15 Betroffenen, die von ihren schrecklichen, oft traumatischen Erfahrungen mit der Stasi berichten – einmal um zu dokumentieren, welche unheimliche Macht die Stasi im System der DDR besass, besonders aber zu warnen, vor all denen, die bis heute versuchen, die Verbrechen und Untaten der untergegangenen Republik frech zu verharmlosen oder zu beschoenigen.

Foto: Stefan Gloede/ Hans-Otto-Theater

naechste Auffuehrungen: 17.4. in Neubrandenburg / 21.5. in Potsdam