Kaprizioese Volten: „Vorsicht Sehnsucht“ von Alain Resnais ****

Zwei aeltere Menschen stehen im Mittelpunkt dieser leichtfuessigen, aber auch wildwuchernden Komoedie des 87-jaehrigen, franzoesischen Alt-Meisters Alain Resnais.
Marguerite ist Zahnaerztin in einer Kleinstadt, der nach einem Schuh-Einkauf in Paris die Handtasche geklaut wird. Georges scheint ein etwas muffeliger Pensionaer, der im Parkhaus, ihre (vom Dieb) weggeworfene Brieftasche findet – ohne Geld, aber gluecklicherweise mit allen
Papieren.
Eine bizarre Beziehung zwischen den beiden ungleichen Menschen beginnt: eigentlich findet man sich gegenseitig sehr symphathisch, andererseits glaubt jeder immer wieder sein sproede Seite zeigen zu muessen. Dabei ist Georges gluecklich verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und offensichtlich keine materiellen Sorgen,  Marguerite ist dagegen Single, teilt sich die Doppel-Praxis mit einer theaterbegeisteten Freundin und leistet sich das teure Vergnuegen einer Hobby-Pilotin.
Ein Katz- und Maus-Spiel zwischen Anziehung und Abweisen, immer erotisch grundiert, aber keine Sex-Komoedie, sondern ein raffiniertes, psychologisches Ping-Pong,  das Altmeister Resnais mit leichter Hand und sanfter Ironie erzaehlt.
Dabei mischen sich auf intelligent-lockere Art alltaegliche Kuriositaeten (etwa auf dem Polizeirevier, wo Georges die gefundene Brieftasche deponiert oder im naechtlichen Restaurant, wenn die Kellner das Verhalten der Gaeste kommentieren) mit den getraeumten Wunschvorstellungen der Protagonisten (der Kuss auf dem Flughafen, unterlegt mit der Hollywood-Fanfare von Fox und dem Schriftzug „Fin“).
Resnais spielt virtuos mit all den Zaubertricks seiner Regiekunst, schwelgt in Farben (mal ganz grell-leuchtend, mal ganz pastell), kombiniert raffiniert Film-Schnitte mit Schwarz-Blenden, zitiert in Schrift und Bild liebevoll die Welt des alten Kinos (auch des eigenen).
Doch was waere selbst ein Resnais ohne seine hinreissende Darsteller-Familie, allen voran seine Frau Sabine Azema, kokett und charmant wie immer, diesmal mit leuchtendem Rotschopf, und Andre Dussollier als ebenso schrulliger wie eleganter Grandseigneur.
Der Ende dieser wildwuchernden (Originaltitel: Les herbes folles) Alters- und Liebes-Komoedie ist so kurios wie „franzoesisch-leicht“: Marguerite fliegt in ihrem kleinen Privat-Flugzeug Georges und seine huebsche Frau ueber die bluehenden Landschaften der Ile-de-France, doch der klemmende Reissverschluss an Georges‘ Hose loest eine katastrophale Irritation aus. Und unten auf dem Feld wundert sich der pfluegende Jung-Bauer, ob denn die looping-schlagende Kunst-Fluege hier nicht verboten seien…
Foto/Verleih: SchwarzzWeiss
zu sehen: Cinema Paris OmU; Babylon Mitte; CinemaxX Potsdamer Platz; Die Kurbel; Passage