Unterdrueckte Gefuehle: „Du sollst nicht lieben“ von Haim Tabakman ****

Ein orthodoxes Stadtviertel in Jerusalem. Aaron (Zohar Strauss) uebernimmt nach dem Tod seines Vaters dessen kleine Metzgerei. Mit seiner Frau und drei kleinen Kindern fuehrt er das bescheidene Leben eines streng glaeubigen Juden zwischen Arbeit und Gebet, zwischen Familie und Bibel-Schule. Bis er eines Tages Ezri (Ran Danker) als Lehrling aufnimmt und sich in den froehlich-freundlichen, jungen Mann verliebt – erstaunt und verwundert ueber sein ploetzlich aufbrechendes Gefuehl. Eine leidenschaftlich-sexuelle Beziehung beginnt, die es nach den religioesen Regeln gar nicht geben darf – zunmindest fuer Aaron, waehrend Ezri mit seinem Schwulsein und den orthodoxen Geboten keine Schwierigkeiten zu haben scheint.
Doch das Verhaeltnis der beiden wird schnell von den Nachbarn erkannt, Aaron wird beschimpft und beleidigt, sogar zum Verlassen des Stadtviertels gedraengt,  waehrend seine Frau demuetig und sanft versucht, ihren Mann zu verstehen und ihn gleichzeitig fuer sich zurueck zu gewinnen. Als der aeussere Druck auf Aaron zu stark wird, er sich mit dem ihm gewogenen Rabbi zerstreitet, und erste Steine das Schaufenster der Fleischerei zerstoeren, verlaesst Ezri ohne grosse Worte den Stadtteil und verschwindet. Aaron, der seine Familie liebt und bei ihr bleiben will, andererseits aber durch Ezri erstmals aus seiner Gefuehlsstarre erwacht ist und dieses andere Leben nicht mehr missen moechte, geraet in eine phsychische Sackgasse, in der ihm auch keine Religion mehr helfen kann: er ertraenkt sich in jenem Tauchbad in der Naehe Jerusalems, in dem er erstmals von Ezris koerperlicher Attraktivitaet ueberrascht wurde und seine neuen Gefuehle entdeckte.
Ganz unpathetisch und direkt erzaehlt der israelische Regisseur Haim Tabakman diese Geschichte einer „amour fou“,  die die Gefuehls- wie die Gedankenwelt des orthodoxen Juden Aaron auf den Kopf stellt; fuer den unerwartet alle Regeln und Rituale, nach denen sein Leben bisher verlief, ausser Kraft geraten. Ergaenzend wird in einer knappen Parallel-Handlung gezeigt, wie eine junge Nachbarin von ihrem Vater und fanatischen Glaeubigen gezwungen wird, auf ihren Geliebeten zu verzichten und stattdessen den von den Eltern ausgewaehlten Braeutigam zu heiraten. Dabei enthaelt sich Tabakman jeder billigen Polemik gegenueber dem orthodoxen Judentum – er zeigt nur scharf und genau, wohin religioese oder ideologische Maximen fuehren koennen, wenn sie nur um ihrer selbst willen errichtet und befolgt werden: wie sie zwangslaeufig zu Intolleranz und Unmenschlichkeit fuehren.
Hervorragende Darsteller und eine kluge, auf das Wesentliche konzentrierte Inszenierung ueberspielen auch einige allzu symboltraechtigen Einstellungen. Keine larmoyante Schwulen-Tragoedie, sondern eine filmische Reflexion ueber ideologische und moralische Regeln und ihre Grenzen.

Foto/ Verleih: Edition Salzgeber

zu sehen: Babylon Kreuzberg (OmU); Xenon (OmU); Broadway; Delphi; Filmtheater am Friedrichshain; International