Ein Triumph fuer Desdemona: „Otello“ in der Deutschen Oper ****

Eigentlich muesste diese Neu-Inszenierung von Verdis spaeter Oper  „Desdemona“  heissen, denn die grandiose Verkoerperung dieser Figuer durch die Sopranistin Anja Harteros macht den Abend zum aussergewoehnlichen Ereigniss -  nicht der Otello des routiniert-auftrumpfenden Jose Cura und schon gar nicht die mit Spannung erwartete, erste Berliner Opern-Regie des Oberspielleiters des „Deutschen Theaters“ Andreas Kriegenburg.
Kriegenburg und sein Ausstattungs-Team verlegen die Handlung in ein heutiges Fluechtlingslager: in einer siebenstoeckige Wand aus kleinen Einzel-Zellen hausst und wusselt mediterranes Prekariat, klettert Bettenleitern hoch, glotzt auf TV-Mattscheiben. Akustisch ist das Arrangemant zwar guenstig und der riesige Chor droehnt dadurch maechtig (und leider auch oft zu laut) direkt ins Publikum: szenisch aber ist es ein unsinniger, und visuell ein langweiliger Leerlauf.
Sehr viel ueberzeugender gelingen Kriegenburg dagegen die intimen Szenen wie das Liebesduett (das hier im Schlafzimmer stattfindet), die fast agressive Auseinandersetzung zwischen Otello und Desdemona zu Beginn des 3.Akts sowie der dramatisch-toedliche Schluss. Hier dominiert ein schnoerkelloses, schlichtes Kammerspiel mit klarer Zeichnung der Figuren und mit klugen Einfaellen – etwa das zerissene und zum Strick verknuepfte Taschentuch, mit dem Desdemona an den Bettpfosten gefesselt wird, oder der Verzicht auf jedes Buehnen-Blut beim Doppel-Mord. In diesen Szenen verzichtet Kriegenburg weitgehend auch auf alle in diesem Musik-Drama ueblichen Inszenierungs-Klischees.
Bei solch insgesamt aber unausgewogener Regie konzentriert sich das Interesse fast ausschliesslich auf Saenger und Orchester. Nach einer Dirigenten-Absage uebernahm kurzfristig der Amerikaner Patrick Summers aus Houston die musikalische Leitung:  und er erweist sich als tuechtiger Kapellmeister, der das konzentriert spielende Orchester zu Bestform befluegelt: praezise und machtvoll in den gossen Chor-Ensembles,  klangfein und delikat in den lyrischen Szenen.
Als eher jovialer, denn als boesartiger Jago verfuegt Zeljko Licic ueber einen prachtvollen Bariton, dem es lediglich ein bisschen an „daemonischer Schwaerze“ fehlt,  und Jose Cura als Otello in kakifarbener Uniform mit Hosentraegern beeindruckt  dank seines imposanten Auftretens und seines staehlernen Heldentenors  – trotz einiger unsauberen Toene -  durch eine packende Gesamtleistung.
Ueberragt werden beide Saenger aber von Anja Harteros  – ihre Desdemona ist keine sanft-leidende Madonna, sondern eine sehr menschliche, attraktive junge Frau, die sich zunaechst gegen den falschen Verdacht der Untreue heftig wehrt, dabei aber immer auf Ausgleich mit dem geliebten Otello bedacht ist, und die erst am Ende etwas wehmuetig resigniert. Gesanglich von makelloser Schoenheit, leuchtend in allen Lagen, mit dramatischer Faerbung – eine Verdi-Saengerin von hohen Graden, die derzeit keine Konkurrenz in der gesamten Operwelt haben duerfte – und ein Glueck fuer den Juni-Spielplan in Berlin.
Foto: Barbara Aumueller/ Deutsche Oper Berlin

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