Starke Frauen: Zwei moderne Opern-Einakter in der Werkstatt des Schillertheaters ***

Auch die zweite Premiere der Staatsoper im Schillertheater-Komplex bietet Werke von zeitgenössischen Komponisten, diesmal zwei Einakter über Frauen, die dem Wahnsinn verfallen.
„Miss Donnithorne’s Maggot“ des Briten Peter Maxwell Davies, uraufgeführt 1974 in Adelaide, ist der Monolog einer sitzengelassenen Braut, die sich in ihr Haus einschliesst, es bis zu ihrem Tod nicht mehr verlässt und deshalb immer mehr wahnhaften Vorstellungen erliegt.  Vorbild ist eine historische Person im Australien des 19.Jahrhunderts, weshalb Davies in seiner Partitur viel Salonmusik jener Zeit zitiert, jedoch durch moderne Klangvorstellungen bricht.
Regisseur Michael von zur Mühlen verzichtet auf jedes historische Dekor, lässt innerhalb des hell getrichenen Werkstatt-Raums einen geschlossenen Verschlag errichten, um den das Publikum frei herumwandern kann (Sitzgelegenheiten gibt es kaum) und in den es nur über zahlreiche im Raum verteilte Monitore Einsicht hat. Mittels Fernsehn sieht man so ein etwas schäbiges modernes Zimmer einschliesslich Badewanne, in dem eine junge Frau mit langer blonder Perücke sich in ihren Wahn steigert und am Ende eine schwarze Puppe als ihr Kind zu gebären meint.
Die isländische Sopranistin Hanna Dora Sturludottir verkörpert diese arme, ausgeflippte Frau mit souveräner Beherrschung der musikalischen Anforderungen und grosser darstellerischer Intensität, einschliesslich auch komische und schrille Momente.
Viel Beifall für diese Leistung.
Nach kurzer Umbaupause : „Infinito Nero“  des rennomierten Italieners Salvatore Sciarrino,  erstaufgeführt 1998. Es ist der Monolog einer adligen Florentinerin des 16.Jahrhunderts, die später heiliggesprochen wurde. Eine kurze Komposition zwischen Herzschlag und Stille, ruhigem Gemurmel und spitzen Schreien: eine Nonne zwischen Verstummen und schriller Exaltation.
Auch diesmal triumphiert die Sängerin. Sarah Maria Sun, wie gekreuzigt mit Klebeband bewegungslos  an eine steile Wand geheftet, flüstert, haucht, fleht, ruft oder schreit ihre inneren Visionen heraus – feinfühlig vom seitlich postierten 8-köpfigen Instrumental-Ensemble unter Arno Waschk begleitet. Ob allerdings die beiden stummen Schauspieler, die um diese Installation herumlaufen und allerlei penälerhafte Aktionen unternehmen müssen, ein sinnvoller Einfall des Regiseurs ist, darf bezweifelt werden. Wiederum grosser Beifall für die Sängerin.
Fazit des anderthalb-stündigen Abends: starke musikalische Eindrücke durch zwei fabelhafte Künstlerinnen -  das szenische Arrangement jedoch erschöpft sich weitgehend in modischer Beliebigkeit.

Foto: Thomas Bartilla /Staatsoper im Schillertheater