Melancholischer Glamour: ‚Somewhere‘ von Sofia Coppola ****

Zuerst ein irritierendes Bild: in einer wüstenartigen Landschaft fährt ein schwarzer Ferrari scheinbar endlos im Kreis, erst nach etlichen Runden bremst das Auto, sein Fahrer – ein etwas nachlässig gekleideter Mitt-Dreissiger – steigt aus: der Hollywoodstar Johnny Marco (Stephen Dorff).  Marco ist ein gefragter Action-Star, aber im Augenblick hat er nichts zu tun. Er wohnt im luxuriösen Promi-Hotel Chateau Marmont am Sunset Boulevard, schlägt seine Zeit mit Alkohol oder Sex tot, gelegentlich unterbrochen von Foto-Terminen oder Pressekonferenzen. Bis er eines Tages sich um seine elf-jährige Tochter Cleo (Elle Fanning) kümmern muss, da deren Mutter, Ex-Lebensgefährtin von Johnny, auf unbestimmte Zeit verreist (der Grund dafür bleibt unklar). Cleo hat bisher ihren Vater zwar in regelmässigen Abständen besucht – beide haben ein gutes Verhältnis zueinander – doch die neue Situation verändert die Beziehung. Obwohl beide nur alltägliche Dinge miteinander unternehmen – ein Luftgitarrenwettbewerb am Spiel-Automaten, Kochen, gemeinsame Ausflüge nach Las Vegas, eine kurze Reise nach Mailand zur einer (herrlich parodierten) Tele-Preisverleihung an Johnny – kommen sich Vater und Tochter menschlich immer näher, bildet sich ein tieferes, vertauensvolles Gefühl, entsteht eine echte Vater-Tochter-Zuneigung. Als Johnny – wie mit seiner Ex verabredet – Cleo nach einigen Wochen in einem Ferien-Camp abliefert, wird ihm die Oberfächlichkeit und Hohlheit seines bisherigen Daseins als im Wohlstand sich langweilender Hollywood-Star schmerzhaft deutlich. Er verlässt mit seinem hochtourigen Luxus-Auto das Promi-Hotel, doch wohin er fährt und was er nun zu tun beabsichtigt, bleibt offen.
Sofia Coppola, inzwischen 39 Jahre alt, erzählt in ihrem vierten Spielfilm diese schlichte Story in langsamen, meist ruhigen Bild-Sequenzen. Sie zeigt den inneren Leerlauf eines äusserlich sorglosen Lebens: Glamour und Luxus einer Gesellschaft, deren Dasein sich in oberfächlichen Aktionen erschöpft. Doch führt Sofia Coppola diese Welt nicht mit erhobenem Zeigefinger vor,  sondern mit sanfter Ironie und leiser Melancholie. Sozusagen mit anteilnehmender Distanz. Und schildert gleichsam nebenbei wie Johnny in seiner erwachenden, tieferen Zuneigung zur noch ganz kindlich-offenen Tochter zu ahnen beginnt, wo er Halt und Mittelpunkt in seinem Dasein finden könnte.
Sofia Coppola’s Handschrift: wenig Action, kaum Dialog, langsame Zooms der Kamera, raffiniert ausgesuchter Ton/Musik und ein hervorragendes Casting. Ideal: Stephen Dorff als attraktiver aber innerlich unruhiger Star Johnny Marco;  exzellent: die junge Elle Fanning als Tochter Cleo, die einerseits mit kindlicher Freude die spielerischen Unternehmungen mit ihrem Vater geniesst, in deren strahlenden Augen aber auch schon das (noch unbewusste) Wissen um die Schattenseiten seines Lebens sich andeutet.
Sofia Coppola, die auch das Drehbuch verfasste, erweist sich mit diesem äusserlich so unspektakulären Film erneut als eine der grossen Regie-Frauen Hollywoods.

Poster / Verleih: Tobis

zu sehen: CineStar im Sony Center (OV), Hackesche Höfe (OmU), Neues Off (OmU), Cinemax Potsdamer Platz, Filmtheater am Friedrichshain, Neue Kant Kinos, Kulturbrauerei, Yorck, Thalia Potsdam