Grelle Posse: ‚Im Weissen Rössl‘ in der Komischen Oper **

„Singspiel in drei Akten“ nennt sich diese Berliner Revue-Operette aus dem Jahr 1930. Ralph Benatzky ist der Komponist, aber einige der erfolgreichen Musiknummern stammen aus anderen Federn. Und nicht nur musikalisch, auch inhaltlich floss in das alte Volksstück von 1897 viel vom kecken, frivolen Zeitgeist der angeblich goldenen 20er Jahre des letzten Jahrhunderts ein.
In der Neuinszenierung an der Komischen Oper ist dieser flotte Ton aus dem wilden Berlin vor allem in der Musik zu hören: nach vor ein paar Jahren wiederaufgefundenen Manuskripten wurde die Original-Partitur wiederhergestellt – und sie klingt einfach formidabel : eine raffinierte Mischung aus Wiener Walzer-Seeligkeit und dem angejazzten,  trocken-lakonischen Ton eines Kurt Weill.
Das Orchester der Komischen Oper – verstärkt um Banjo-und Zither-Spieler und sogar um einige Mitglieder des BVG-(Blas-)Orchesters – spielen die populären Walzer, Märsche, Tangos oder Foxtrotte – unter der anfeuerenden Leitung von Koen Schoots – so schwungvoll und mitreissend : man mag kaum stille sitzen auf den Zuschauersesseln!
Leider hat die Regie von Sebastian Baumgarten diesem musikalischen Steilpass wenig entgegenzusetzen. Das „Weisse Rössl“ präsentiert sich als dunkle Bauern-Haus-Fassade, in der sich immer wieder Türchen und Fenster wie bei einem Adventkalender öffnen und so Einblicke in  kleine, hell erleuchtete, aber sparsam möblierte Kämmerchen zeigen. Stubenmädchen, Hausburschen, Kellner und Gäste saussen immer wieder rein und raus und auch die blond-bezopfte Wirtin (Dagmar Manzel) und ihr Oberkellner Leopold (Max Hopp) müssen ihr Techtelmechtel im Laufschritt zwischen Vorplatz und Dachkammer austragen.
Die Dialoge werden so schnell gesprochen, und dabei so schlecht artikuliert, dass sie nur bruchstückweise zu verstehen sind. Szenisch wird auf jeden ironischen Pfeil ein grober Klotz gesetzt: das ganze fesche Salzkammergut verstömt hier den Charme eines Ferienlagers aus unseeligen Zeiten – mit Kostümen wohl vom Billig-Discounter.   Auch die auftretenden Berliner Feriengäste bedienen hier nur schmalspurige Klischees: Dieter Montag als Trikotagenfabrikant Giesecke bellt prollig vor sich hin, Kathie Angerer als sein naiv-doofes Töchterchen plappert ununterbrochen mit hoher Pips-Stimme, Peter Renz bleibt als Sigismund so schön wie blass und Irm Hermann nimmt als Kaiser ebenso hölzern wie steif die Pimpf-Parade ab. Auf Revue- und Show-Einlagen wird (aus Kostengründen?) verzichtet, die wenigen Tanzschritte der Solisten bewegen sich im bieder-braven Stil von Provinz-Theatern: eine Parodie?
Und all diese Possen wollen kein Ende nehmen : immer wieder werden – besonders in 3.Akt – die Musik-Nummern wiederholt, noch ein Gag eingefügt, noch ein Einfall ausgewalzt, dreieinhalb Stunden zieht sich diese Klamotte nach Casdorfschem Volksbühnen-Muster hin, Langweile breitet sich aus.
Da hilft auch die routinierte Quirligkeit von Dagmar Manzel nichts, auch die komödiantische Energie Max Hopps (mit seinen fast virtuosen Slapstick-Einklagen) läuft sich tod – und nur die Musik hilft diesem plump-überdrehten Operetten-Abend über die Runden -  dessen Regisseur das ironisch-kesse  „Weisse Rössl“ mit einer faden  „Pension Schöller“  verwechselt hat.

Foto:Iko Freese/Komische Oper

nächste Vorstellung:26.Januar 2011