Im Fischgräten-Korsett: ‚Rusalka‘ in der Komischen Oper****

In Antonin Dvoraks vorletzter Oper verliebt sich die Nixe Rusalka unsterblich in einen Prinzen, der oft in ihrem See badet. Gegen den warnenden Rat des väterlichen Wassermanns wird sie mit Hilfe einer Hexe zum menschlichen Wesen, allerdings zu dem Preis, dass sie ihre Sprache verliert. Der Prinz ist bezaubert und führt die stumme Schöne auf sein Schloss, aber schon bald ergeben sich erste Verständnis-Schwierigkeiten. Eine fremde Fürstin erobert nun das Interesse des Prinzen und Rusalka will zu ihren Wasser-Geistern zurück. Doch müsste sie dafür – laut der Hexe – ihren Prinzen eigenhändig töten. Sie kann das nicht : zur Strafe erkrankt der Prinz und stirbt, während Rusalka zu ewiger Verbannung in Menschengestalt verdammt bleibt.
Regisseur Barrie Kosky, künftiger Hausherr der Komischen Oper, sieht in seiner Inszenierung Dvoraks spätes Werk (UA:1901) nicht als stimmungsvoll-romantisches Märchen, sondern als symbolhaftes Parabelspiel über die Sehnsucht nach einem neuen Leben und des Scheiterns daran. Die Bühne ist ein geschlossener, weisser Raum – gleichsam die Verlängerung des mit dezentem Stuck geschückten Proszeniums. Durch eine schmale Türe in der Hinterwand betreten die Personen den – bis auf eine Bank -  kahlen Raum. Sie tragen die bäuerliche, schwarze Kleidung der Zeit um 1900 – offensichtlich ist Michael Hanneckes Film „Das weisse Band“ die Vorlage. Wie wilde Trolle toben die drei (Nixen-)Mädels umher, treiben mit (Plasik-)Fischen allerlei derbe Scherze und necken den Wasserman, der hier einem gelassenen, grauhaarigem Herrn gleicht. Nur Rusalka robbt mit einem voluminösen Fischschwanz herein, den sie sich dann – unter Schmerzen – von der Hexe weg-operieren lässt: erst werden die Gräten gezogen, dann Katzen-Blut theaterwirksam ein-geträufelt. Rührend tapsig versucht Rusalka erste Schritte mit ihren nackten Beinen zu machen – der eintetende Prinz im Frack ist hingerissen. Doch das sich abzeichnende Glück wird durch den Auftritt der Fürstin im eleganten, hochgeschlitzen Etui-Kleid rasch zerstört – ein Sensenmann und andere Lemuren erscheinen alsbald und am Ende hängt der tote Prinz an der langen Angel Rusalkas, so wie sie einst mit dem selben Gerät dem stillen Wassermann verbunden war.
Es ist eine phantasiereiche, fast surreale Reise, auf die Barrie Kosky seine Sänger-Darsteller schickt;  ein realistisch-zeichhaftes Theater-Märchen, plastisch und präzise in der Personenführung, geschickt in der Szenenabfolge ausbalanciert, mal derb und drall, wenn die schwatzhaften Köche die Fische in dampfenden Stahl-Töpfen köcheln – anrührend,  wenn Rusalka verzweifelt versucht ihre Tanzschritte denen des Prinzen anzugleichen oder am Ende im weissen Hemdchen scheinbar ewig im Kreis zu laufen gezwungen ist.
Dirigent Patrick Lange passt sich mit dem klangsatten Orchester dieser Konzeption voll  an, betont die dramatischen Passagen der Oper, die lyrischen bleiben dagegen eher blass. Ina Kringelborn ist für diese Aufführung die ideale Rusalka – mit einem ausgeglichenen, eher kühlen Sopran und intensivem Spiel: eine starke, junge Frau, die vergeblich versucht, aus ihrer (Fischgräten-)Haut herauszukommen. Timothy Richards wirkt als Prinz etwas hölzern, punktet aber mit schönem Tenor, Dimitry Ivashchenko verkörpert einen zurückhaltend-noblen Wassermann mit kraftvollem Bariton. Der Chor singt hinter der Bühne – klingt  darum -  sehr passend zum intimen Kammerspiel -  wie aus weiter Ferne.
Die neue deutsche Übersetzung bleibt  recht nüchtern und poesielos, manche Details der Aufführung scheinen überflüssig – etwa das laute Gekreische der Nixen oder des (debilen)Hexen- Sohns – aber insgesamt ist der Komischen Oper mit dieser Neu-Inszenierung ein schöner Erfolg  geglückt: ein anregender und spannender Opernabend wie seit langem nicht mehr.

Foto: Monika Rittershaus /Komische Oper
nächste Vorstellungen: 26.Febr. /03., 13. u.17.März /09 u. 28.April / 1. u.13.Mai