Vor dem Sturm: ‚Kinder der Sonne‘ im DT ***

Maxim Gorki schrieb sein vieraktiges Drama „Kinder der Sonne“ 1906 im St.Petersburger Gefängnis vor dem Hintergrund revolutionärer Aufstände gegen das Zaren-Regime. Es spielt im Hause eines Wissenschaftlers und verbindet Liebesverwirrungen mit Diskussionen über die politischen und gesellschaftlichen Zustände der Zeit. Eine intellektuell mit sich selbst beschäftigte Mittelschicht vor dem Hintergrund heraufziehender Katastrophen.
Der Regisseur Stephan Kimmig und sein Team haben das Stück auf knapp zwei (pausenlose) Stunden zusammengestrichen und in die Gegenwart verlegt. Dabei werden besonders die komischen Aspekte des Aufeinanderprallens verschiedener Liebesbeziehungen und gesellschaftlich-moralischer Vorstellungen betont – in einer trocken-sloppen Neu-Übertragung voll sarkastischer Anspielungen und ironischer Hinzufügungen. Dies funktioniert erstaunlich gut bei den ehelichen und sonstigen Gefühls-Verwirrungen, bleibt aber in den gesellschafts-kritischen Auseinandersetzungen und Visionen recht literarisch-blass.
Seine Lebendigkeit gewinnt der kurze Abend vor allem durch ein Ensemble exzellenter Schauspieler, allen voran Ulrich Matthes in der Rolle des mit seiner Gen-Forschung verheirateten Professors, Nina Hoss als an seiner Nichtbeachtung leidender Ehefrau und Alexander Khuon als vergeblich um die Liebe der jungen Schwester des Professors ringender Tierarzt. Sven Lehmann verblüfft in der Rolle eines Künstlers mit kabarettistischen Reimereien.
Katja Hass hat einen abstrkten Bühnen-Einheitsraum aus aufrecht stehenden, schmalen Leisten und Neonröhren gestaltet, die Darsteller tragen heutige Freizeitkleidung. Der alte Gorki scheint hier fast  die Handschrift eines vorweggenommenen Botho Strauss zu gewinnen : statt einem bewegendem Drama mit politischem Pathos -eine neuzeitlich-intellektuelle Beziehungs-Komödie. Durchaus unterhaltsam.

Premiere: 15.10.2010

Foto: Arno Declair /Deutsches Theater