Alles Elend der Welt: ‚Biutiful‘ von Alejandro Gonzales Inarritu ***

Ein hässliches Hafenviertel von Barcelona, alte Fabriken, dick qualmende Schornsteine, schmale Gassen, heruntergekommene Wohnungen, düstere Keller. Viele Menschen auf engem Raum, darunter illegale Afrikaner, die dealen, und Chinesen, die auf Baustellen oder in heimlichen Fabriken unter menschen-unwürdigen Bedingungen schwarz-arbeiten. Durch provisions-anteillige Vermittlung solcher Illegalen versucht der arbeitslose Uxbal den Lebensunterhalt für sich und seine beiden Kinder zu sichern. Doch auf einen grünen Zweig kommt er nicht: zumal das Zusammenleben mit seiner psychisch kranken Frau immer wieder auseinander bricht, und der Arzt bei ihm ausserdem Prostatakrebs im Endstadium diagnostiziert. Am Schluss stirbt er einsam, zuletzt nur von einer – vor der Polizei versteckten – Schwarzen betreut.
Der mexikanische Regisseur Alejandro Gonzales Inarritu („Amores Perros“, „21 Gramm“,  „Babel“) hat sich diesesmal auf eine einzige Figur, den von Javier Bardem eindrucksvoll verkörperten Uxbal, konzentriert – aus Uxbals Blickwinkel wird das Geschehen erzählt. Er ist der Mittelpunkt des Viertels, alle anderen Personen und Episoden kreisen um ihn herum: seine labile Frau, der offensichtlich reichere, aber zwielichtige Bruder, ein schwuler, chinesischer Clanchef, die schwarzen Drogenhändler, ein korrupter Polizeibeamter, dem er Schutzgelder übermittelt. Dabei will er ein guter Vater sein, bemüht sich rührend um seine beiden Kinder, versucht auch in seinen krummen Geschäften aufrichtig zu bleiben. Doch nicht nur die Gegenwart, auch die Vergangenheit belastet ihn in Gestalt seines verstorbenen Vaters, der einst vor Franco nach Mexiko floh – eine surreale Begegnung mit diesem (damals noch jungen) Vater in einem verschneiten Wald eröffnet und beschliesst den Film. Zudem besitzt Uxbal spiritistische Kräfte und vermag sich mit Toten im Jenseits zu unterhalten: gegen Geld übermittelt er den Hinterbliebenen das so von ihm Erfahrene.
Der 138 Minuten lange Film ist mitreissend inszeniert und findet in dem von Javier Bardem mit ausergewöhnlicher Präsenz dargestellten Uxbal sein eindrucksvolles Zentrum. Es ist eine Passionsgeschichte ohne christliche Erlösung, die aber gleichzeitig stark auf das Mitleid – sprich: Tränendrüse – des Publikums zielt. Diese dramaturgische Über-Konstruktion, die in einer (in einem Film) unglaubwürdigen Häufung von Elend besteht, ist der schwer lastende Pferdefuss von Inarratu’s handwerklich so kraftvoll gestaltetem Werk. Weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen.

Poster: Prokino Filmverleih

zu sehen: Hackesche Höfe Kino (OmU); Rollberg (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; Eiszeit-Kino; Neue Kant Kinos; Kulturbrauerei; Movimento; Thalia Potsdam