Dampfende ‚Ring‘-Schmiede: ‚Siegfried‘ im Staatstheater Cottbus ****

Martin Schüler, Cottbusser Intendant und Regisseur, hat aus der Not eine Tugend gemacht:  da der Orchestergraben für die notwendige Musikerstärke von Richard Wagners „Ring“ zu klein ist, plaziert er das Philharmonische Orchester auf der Bühne und lässt – durch einen Schleiervorhang getrennt – die Geschichte von Siegfried und Mime, dem Drachen Fafner und der schlafenden Brünnhilde davor – auf dem zugedeckten Orchestergraben -  spielen. Mit dem nun im Halbdunkel – nur die kleinen Notenlämpchen leuchten – agierenden Orchester als fast magischem Hintergrund zeigt die Bühne im ersten Akt einen Ambos, Schmiede- und Küchen-Ausstattung im Stil des 19.Jahrhunderts, im zweiten Aufzug bilden kleine, echte Kiefern vor einem Stacheldrahtzaun den Wald vor Fafners Höhle (im tiefen Dunkel hinter dem Orchester glimmt dann das Nibelungen-Gold auf), und der Brühnhilden-Felsen im dritten Akt entpuppt sich als eine Gruppe ramponierter Salon-Polstermöbel (nebst grossem Stahl-Safe) unter weissen Tüchern.
Der Gewinn dieses Arrangements: „Siegfried“ wird zum intimen Kammerspiel, bei dem meist jedes Wort des Textes verstanden wird und die Sänger niemals durch das Orchester zugedeckt werden. Und da die Regie alles Mythologische beiseite lässt und stattdessen die komischen Momente dieser turbulenten Jagd nach dem Macht verleihenden Ring betont, entwickelt sich das über vier Stunden dauernde Musikdrama zur kurzweilig-unterhaltenden Komödie.
Dass dieses Konzept überzeugt, ist zum einen der Verdienst des flexibel und kompakt aufspielenden Orchesters unter der straffen Leitung seines jungendlich-elastischen Generalmusikdirektors Evan Christ und zum andern der eines gut aufeinander abgestimmten Sänger- und Darsteller-Ensembles.
Der stämmige Peter Svensson erscheint  hier als blondgelocker Rocker-Siegfried in schwarzer Lederhose und Muscle-Shirt, mit kräftigem, aber nicht immer differenzierendem Helden-Tenor (Schweissperlen auf der Stirn und stimmliche Ermüdungserscheinungen gegen Ende eingeschlossen). In Sabine Passow tritt ihm eine stimmlich wie darstellerisch sehr attraktive Brünnhilde im silbern-schimmerndem, tief dekolltierten Kleid gegenüber, während sein Ziehvater Mime in der sich duckend-beweglichen Gestalt von Uwe Eikötter – trotz seines hässlich-grauen Arbeitskittels – ungewohnt menschliche Züge zeigen darf. Wotan (Nico Wouterse) ist ein elegant gekleideter, schlanker Intellektueller mit machtvollem Bass-Bariton,  Alberich (im Wald vor dem Stacheldrahtzaun) erinnert in böser Ironie -  von Andreas Jäpel trefflich verkörpert – durch sein ‚Outfit‘ an die Volkspolizei unseliger Zeiten. Ingo Witzke taucht als baumlanger Fafner im Frank und mit blau-geschuppter Glatze auf: seine tiefe Stimme verstärkt er dröhnend durch einen Handlautsprecher. Marlene Lichtenberg beindruckt als jugendliche Erda mit ebenso tiefen wie satten Tönen, während Cornelia Zink’s Waldvögelein im grünen Taft-Abendkleid und mit aufgeschlagener Partitur den staunenden Siegfried aufgeregt-quirlig umkreist.
Eine im Grund sehr konventionelle, aber äusserst kurzweilige Inszenierung – ein Abend, der seinen Schwung hoffentlich auch auf den (für 2013 geplanten) Abschluss der Wagnerschen Tetralogie (die „Götterdämmerung“) zu übertragen vermag.

Foto:Staatstheater Cottbus/Marlies Kross

nächste Vorstellungen:02./17.April 2011