Amerikas dunkles Herz: ‚Winter’s Bone‘ von Debra Granik ****

Eine karge, winterliche Berglandschaft in Missouri, USA. Verfallende Häuser,  Autowracks, umherliegender Schrot.  Abweisende Menschen mit verwitterten Gesichtern. In dieser düster-provinziellen (Hinter-) Welt lebt die 17jährige Ree (grossartig: Jennifer Lawrence) mit einer apathisch-stummen Mutter und zwei kleineren Geschwistern. Der Vater stellte – wie fast jedermann in dieser Gegend – billige Drogen her,  wurde verhaftet, und hat dann für seine Freistetzung, die Wohn-Hütte der Familie und den dazugehörigen Wald als Kaution verpfändet. Jetzt ist er verschwunden und der Sheriff teilt Ree mit, dass sie, die Mutter und ihre Geschwister das Haus verlassen müssen, falls sie nicht binnen 8 Tagen den Vater – tot oder lebendig – finden. Ree macht sich auf die Suche: bei Verwandten und Freunden, bei den Vieh-Händler-Clans der Region. Vergeblich: überall prallt sie gegen eine feindselige Schweigemauer. Doch sie gibt nicht auf – trotz Hungers und eines brutalen, körperlichen Angriffs auf sie. Sie versucht als letzten Ausweg, wegen der hohen Freiwilligen-Prämie zur Armee zu gehen:  dort wird sie als Minderjährige aber abgewiessen. Doch Ree’s Zähigkeit und Ausdauer finden am Ende ihren makabren Lohn: die finstere Haushälterin des Clan-Boss’s führt sie nächtlich zu der in einem See liegenden Leiche des ermordeten Vaters.
Der bisher kaum bekannte 48jährigen US-Regisseurin Debra Granik ist ein kleines Meisterwerk gelungen. Jedoch ist nicht die dramatische Geschichte der Vatersuche das Entscheidende an diesem beeindruckenden Film, sondern die genaue, unpathetische Darstellung der ländlichen Kehrseite des amerikanischen Traums, einer unwirtliche Welt harter Männer und rauher Frauen. Billige Drogen spielen eine grosse Rolle, es wird viel ge- und ver.schwiegen, es gibt aber auch eine Art leiser Nachbarschaftshilfe oder wortloser Unterstützung. Emotionale Bindungen oder Familienbeziehungen  werden kaum offen gezeigt, spiegeln sich nur verborgen hinter steinerenen  Gesichtern. Debra Granik zeigt diese dumpfe Welt des „White Trash“ in präzisen, winterlich-bläulichen  Bildern, ohne jeden sozialkritischen oder moralischen Zeigefinger. Ein schwarzer Western, mit Pferden und Banjo, aber ohne jede  romantisch-nationale Verklärung: in diesen rauhen Berglandschaften von Missouri geht es entweder ums nackte Überleben einzelner Familien  oder um die Machterhaltung regionaler Clans. Der filmisch-scharfe Blick auf ein Amerika – ebenso weit weg vom Glamour Hollywoods wie von der Politik Washingtons. Das harte, dunkle Herz eines grossen Landes.

Poster/Verleih: Ascot Elite Home Entertainment GmbH

zu sehen: CineStar Sony Center (OV); Hackesche Höfe Kino (OmU); Odeon (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; Filmkunst 66; Filmtheater am Friedrichshain; Kulturbrauerei; Neues Off