Little-Horror-Picture-Show: ‚Salome‘ in der Komischen Oper *

Richard Strauss‘ Einakter  „Salome“ (UA.:1905),   bassierend auf dem Fin-de-Siecle-Schauspiel von Oscar Wilde, ist ein effektvoller Psycho- und Erotik-Thriller in kunstvoll-artifiziellem Art-Deco-Kostüm, voll sinnlich-farbiger Musik  -  und ein weltweiter Publikumserfolg bis heute.
An der Komischen Oper Berlin glauben jetzt  Regisseur Thilo Reinhardt und sein Team  Neues im alten Stoff zu entdecken:  das Party-Girl Salome lässt sich hier durch die strenge Gläubigkeit des stark tätowierten, religiösen Fundamentalisten Jochanaan faszinieren, schwört dem oberflächlichen Sex- und Luxus-Verhalten ihrer reichen Eltern Herodes und Herodias ab und mausert sich zur pathetischen Neu- Revolutionärin.
Kritikpunkte sieht der Regisseur vor allem in einer aktuellen, fatalen Vermischung von Religion, Sex und Terror : die Militärmacht  USA und der Nahe Osten sind seine aktuellen Bezugspunkte.  Dementsprechend verzichtet seine Inszenierung auf den bekannten Tanz der Salome: statt dessen kreiselt  die Drehbühne,  zeigt ein rasche Abfolge von lebenden Bildern mit vielen Kreuzen und daran gefesseltem Christus, mit sich geiselnden Anhängern, ein Salome-Double bespringt in Clip-Manier den Gekreuzigten,  auch mit allerlei sich revolutionär verklärende  Kalaschnikow-Helden in Che-Guevara-Pose mischen sich dazwischen. Danach schlägt die entnervte Herodias dem Jochanaan eigenhändig den Kopf ab und Salome selbst zieht sich die Revolutions- Basquen-Mütze über die wallenden roten Haare, schultert die MP und trotzt am Schluss in steiler Pose dem – aus dem leeren Hintergrund tönenden -  Tötungsbefehl des Herodes.
Doch der Regisseur kann diese – mehr oder weniger – orginellen Einfälle im comic-haften  und betont grob skizzierten Schwarz-Weiss-Bühnenbild von Paul Zoller überhaupt nicht  umsetzen. Im ersten Teil erzielt er noch einige szenische Effekte mit allerlei plakativen  Bildern und Gesten – Soldaten, die onanierten; grau gekleidete Buchhalter als zänkische Juden – doch bei Salomes grossem Schlussgesang taumeln alle Sänger nur hilflos auf der Vorderbühne hin und her  und wissen nicht, was sie tun sollten: Personenführung desolat!
Sicherlich zeigt diese Neu-Inszenierung einige interessante konzeptionelle Gedanken – sie werden aber überwiegend  allzu platt umgesetzt  (Herodes Palast = Weisses Haus!). Noch bedauerlicher aber ist, dass die musikalische Seite unzulänglich bleibt: in dieser Liga kann die Komische den beiden andern Opern-Häusern Berlins gegenwärtig kaum Paroli bieten. Zwar schlagen sich Orchester und Dirigent (Alexander Vedernikow aus Moskau) noch halbwegs wacker, doch die Sängerin der Salome (Morenike Fadayomi) beeindruckt allein durch darstellerischen Einsatz, stimmliche Leuchtkraft: Fehlanzeige.  Egils Silis prunkt als Joachanan mit kraftvollem Bariton, als tätowierter Revolutions-Guru bleibt er blass (was unter anderem auch an der Strauss’schen Rollen-Vorlage liegt). Das übrige Ensemble bewegt sich und singt im Mittel-Klasse-Feld. Einzig rühmliche  Ausnahme ist der darstellerisch wie stimmlich sehr flexible Andreas Conrad, der den Herodes als geckenhaften Egomanen scharf charakterisiert.
Ein ehrgeiziges Unternehmen – aber zu einer „Salome“ von Strauss-Wilde-schem Format gehören mehr als ein paar  ’nicht-zu-Ende-gedachter‘ Regie-Einfälle – vor allem aber muss eine aussergewöhnliche Sängerin für die Titelrolle zur Verfügung stehen.
Halbheiten sind in diesem Fall der Untergang.

Foto:Monika Rittershaus/Komische Oper Berlin

nächste Vorstellungen:15./ 23./ 29.April 2011 weitere Termine im Mai u.Juni