Kreislauf der Diktaturen: ‚Macbeth‘ in der Deutschen Oper ****

Vor 13 Jahren entstand diese Inszenierung des Verdi’schen ‚Macbeth’  für die Kölner Oper – und es spricht für ihre Qualität, dass sie sich auch heute noch behaupten kann.
Der kanadische Regisseur Robert Carsen verlegt die Handlung in eine zwar nicht näher gekennzeichnete Militär-Diktatur im einstigen Ostblock – doch dürften Rumänien und sein grausames Herrscher-Paar Ceausesu als Vorbild gedient haben. Eine graue Beton-Wand beherrscht die weitgehend kahle Bühne:  mal blutbeschmiert, mal mit schmalen Türen bestückt oder beklebt mit den Fotos der verschollenen oder getöteten Angehörigen der Geflüchteten und Exilanten. Bei Banquo’s Ermordung stehen Schreibtische vor dieser Wand wie in einem Stasi-Büro und in der Bankettszene schiebt sich eine lange, mit Silberbesteck und Blumen geschmückte Tafel herein. Mal scheint das (raffiniert gesetzte) Licht bläulich-fahl auf diese abweisenden Beton-Räume, mal schimmern sie veredelt in bräunlich-goldenen Tönen. Wie in einem Film läuft das grausame Geschehen ab: die Hexen huschen hin-und her als Gruppe gespentischer Putzfrauen, Macbeth ersticht den schlafenden König in einem spartanischen Bett, die Bankett-Gesellschaft tanzt dezent vor einem riesigen Diktatoren-Porträt an der Wand, die Lady zieht in ihrer Wahnsinn-Szene – eine stark-strahlenden Taschenlampe in der Hand – die blutige Uniform ihres Mannes nach sich, während dieser von einem wie im Blutrausch agierenden Macduff getötet wird, für den – als dem neuem Diktator -  prompt der rote Teppich ausgerollt wird und für den dann die Soldaten zum abschliessenden Siegeschor martialisch Spalier stehen.
Vielleicht ist diese Macbeth-Deutung als sich selbst fortzeugende Gewaltherrschaft etwas überzogen und von Verdi sicherlich nicht so gemeint gewesen – aber die erzählerische Stringenz und ihre – bis ins kleinste Detail – fantasievoll-theatralische Umsetzung verleiht der Inszenierung dramatische Wucht und grosse Überzeugungskraft. Zumal der Dirigent Roberto Rizzi Brignoli und das sehr flexibel agierende Orchester diese Interpretation durch geschärften Klang und durch präzise, dem Geschehen angepasste Tempi bestens unterstützen. Grossartig der Chor in seinen unterschiedlichen Formationen (Hexen, Soldaten,  Flüchtlinge, Diktatoren-Staffage) – immer klangschön, aber zugleich die jeweilige Bühnen-Situation genau charakterisierend.
Anton Keremidtchiev (alternierend mit Thomas J.Mayer) singt mit noblem Bariton einen schon früh von Skrupeln geplagten Macbeth, Anna Smirnova ist seine ehrgeizige, stramme Lady: ihr voluminöser, vibratoreicher Mezzo, der aber auch über intimere Töne verfügt, beherrscht mit grossem gestischen Ausdruck die gesamte Szene, Pavol Breslik berührt in seiner kurzen Schmerzens-Arie durch seinen sensibel-geführten, kraftvollen Tenor und Ante Jerkunica überzeugt als ein väterlich-sorgenvoller Banquo mit sonorem Bass.
Eine spannende, szenisch kluge und musikalisch sehr ansprechende Aufführung – trotz ihres pessimistisch-düsteren Themas.

Foto: Bettina Stöss/Deutsche Oper Berlin

nächste Vorstellungen: 19./21./24./28./30.Juni und 03.Juli