Im Frauenknast: ‚Gespräche der Karmelitinnen‘ in der Komischen Oper ***

Eigentlich finden die „Dialoques des carmelites“ von Francis Poulenc (UA: 1957 in Mailand) während der Französischen Revolution in Paris und einen nahebei gelegenen Kloster statt. Die junge Adlige Blanche ist aus Lebensangst Novizin bei den Karmelitinnen (so die Neuübertragung der Komischen Oper!) geworden, doch das Kloster wird von den Revolutionären konfisziert und geplündert, die Nonnen zum Tode verurteilt, da sie nicht bereit sind, ihrem Glauben abzuschwören. Blanche flieht entsetzt, aber als sie sieht, wie ihre 16 Glaubensschwestern eine nach der anderen tapfer die Guillotine besteigen, geht sie, ihre Angst überwindend, als letzte aufs Schafott.
In der Neuinszenierung an der Komischen Oper verlegt der spanische Skandal-Regisseur Calixto Bieito das dramatische Geschehen in ein Internierungslager oder Gefängnis des 20.Jahrhunderts. Die düster gehaltenen Dreh-Bühne wird beherrscht von raumhohen Betten-Türmen, mal von grellen Scheinwerfern, mal von hellen Neonröhren beleuchtet. Religiöse Zeichen,  Kleidung oder Symbole fehlen. Die Insassinnen tragen betont einfache, fast hässliche Alltags-Klamotten in verwaschenen Farben. Bieito vermeidet bis auf ein paar eingeschobene Momente (das Waschen einer Frauenleiche, der blutbefleckte Körper von Blanche’s ermordetem Vater) alles Provokative, erzählt die Geschichte eher umständlich und manchmal auch unverständlich auf der schmalen Vorderbühne. Die Charaktere der meisten Personen sind schematisch oder unscharf, manche Einfälle bleiben rätselhaft: die schwarz-weissen Videobilder zu beiden Bühnenseiten, die Augen oder Händen zeigen; eine halbnackte Frau, die offensichtlich geistesverwirrt durch die Bett-Etagen klettert. Unklar, was der sonst so kritisch zupackende Regisseur dem Zuschauer diesmal erzählen will, welche Haltung er selbst zu dem tragischen Geschehen einnimmt: dadurch wirkt die Inszenierung über weite Strecken farblos und fade.
Doch gleicht die gute und solide musikalische Leistung des Ensembles vieles aus: Christiane Oertel als alte, sterbende und Erika Roos als neue Priorin, Irmgard Vilsmaier als mütterlich-strenge Mutter Marie, Julia Giebel mit hellem Sopran als Freundin und jugendliche Schwester Constance sowie Maureen McKay als angstgeplagte Blanche, in der Höhe etwas schrill. Der Bonner Generalmusikdirektor Stefan Blunier dirigiert Poulenc‘ sehr gemässigt-moderne Musik mit scharfer Attacke, oft zu laut und zu zackig, erst nach der Pause im zweiten Teil findet er die ausgewogene Balance zwischen Bühne und Orchester, zwischen lyrischer Innigkeit und schneidender Dramatik. Eindrucksvoll, wenn die Frauen im weissen Hemd und mit einem Papp-Schild um den Hals („Hure Gottes“) eine nach der anderen – laut das „Salve Regina“ singend – nach hinten abgehen und im Orchester jeweils das Fallbeil brutal zu hören ist.
Eine musikalisch stimmige, szenisch jedoch  – wider Erwarten – blasse Aufführung.

Foto: Monika Rittershaus/ Komische Oper

nächste Vorstellungen: 30.Juni/ 03./ 09./ 16.Juli 2011