Verwirrendes Parabel-Spiel: ‚Das schlaue Füchslein‘ in der Komischen Oper ***

Leos Janacek’s späte Oper vom schlauen Füchslein (UA: Brünn 1924) zählt zu den den Ikonen in der Geschichte der Komischen Oper Berlin: Walter Felsensteins legendäre Inszenierung von 1956 gehört zu ihren erfolgreichsten Aufführungen und verhalf dem Berliner Haus und seinem langjährigen Gründer und Intendanten zu weltweitem Ruhm.
Jetzt hat zum Abschluss seiner Intendantenzeit der derzeitige Chef Andreas Homoki die vielschichtige Tier- und Menschen-Fabel erneut in der Komischen Oper in Szene gesetzt und zur Diskussion gestellt: in neuer deutscher Textfassung (Werner Hintze) und in neuer, heutiger Deutung und Ästhetik.
Leos Janacek (1854-1928), der das Libretto nach einem Zeitungs-Comic und dem danach verfassten Roman selbst schrieb, erzählt zum einen die Geschichte des jungen Füchsleins Spitzkopf, seiner Jugendstreiche, seiner Heirat, seinem eher zufälligen Tod (durch einen Landstreicher) und zeichnet parallel dazu das Porträt eines alten Försters, der sich melancholisch an seine Jugend und Ehe erinnert. Es ist der ewige Kreislauf des Lebens und der Natur, den Janacek szenisch und musikalisch schildert:  magisch, beschwörend, doch völlig unsentimental.
Andreas Homoki lässt die drei kurzen Akte (insgesamt 90 Minuten) pausenlos auf einer kreiselnden Drehbühne spielen: in den nüchtern-schönen Räumen eines böhmischen Wirtshauses mit Fensterblick in einen dunklen Wald und in Kostümen aus der Zeit vor dem 1.Weltkrieg. Wenn sich zu Beginn der alte Förster nächtlich in der Wirtsstube an seine Hochzeit erinnert, dreht sich der Raum nach links weg und man erblickt im anschliessenden Raum (der dem vorigen bis auf seine altertümliche Dekoration gleicht) pantomimisch diese erinnerte Hochzeits-Szene, die strahlende Braut, die lachenden, tanzenden Freunde und Gäste. So wechselt die gesamte Aufführung ständig zwischen den zeitlichen Ebenen, zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem. Und ähnlich verfährt Homoki auch mit der Sphäre der Tiere und der Menschen: Fuchs, Dackel, Iltis, Frosch, Hahn und Hühner tragen menschliche Kleidung, stülpen sich aber immer mal wieder die entsprechenden Tierkopf-Masken über oder nehmen sie ab – ohne dass richtig einsichtig wird, zu welchem Zeitpunkt sie als Tier oder Mensch agieren sollen. Und dass schon im zweiten Bild der alte Förster in der jungen Füchsin ohne Maske gleich seine verflossene Jugend-Liebe nacherleben muss, scheint dann doch etwas allzu schlicht und plakativ.
Einerseits gelingt es der Regie durch geschickte Peronenführung die komischen Untertöne, ironische wie satirische, deutlich auszuspielen, andererseits führt das ständige Wechseln von Zeit- sowie von tierischer und menschlicher Ebene mehr zur Verwirrung als zur Klärung der parabelsatten Geschichte. Hier verheddert sich die Regie – trotz szenischem Raffinement und trotz einer elegant-atraktiven Ausstattung (Christian Schmidt) -  in ihrem allzu ehrgeizig-intelektuellen Deutungs-Konzept.
Bestens bewährt sich an diesem Abend wiedereinmal die Komischen Oper als Ensemble-Theater. Das Orchester aufmerksam und farbig unter der Leitung von Alexander Vedernikow, sehr beweglich und klangschön der Chor (Einstudierung: Andre Kellinghaus) und vortrefflich ausgewählt und homogen in ihrem Zusammenspiel die vielen Solisten, die – oft nur in kleinen Auftritten -  ihren Rollen scharfen Umriss oder überzeugendes Profil verleihen. Im Mittelpunkt: Brigitte Gellert sehr agil als Füchslein Spitzkopf und Jens Larsen als melancholisch-kerniger Förster. Andreas Conrad karikiert zugleich den Schulmeister und den aufgeblasenen Hahn, Frank van Hove spielt bedächtig den Pfarrer und den Dachs und Karolina Gumos präsentiert sich mit üppigem Mezzo als fesch-füchsiger Playboy.
Andreas Homoki hat mit diesem „Schlauen Füchslein“ zwar die Falle eines putzigen Weihnachtsmärchen klug vermieden, vermochte jedoch die verzwickte Vielschichtigkeit dieser Oper zwischen tierischem und menschlichem Dasein, zwischen natur-verbundenem und philosphisch-moralischem Leben nicht deutlich genug auf der Bühne sichtbar zu machen. Dennoch herzlicher Applaus.

Foto:Monika Rittershaus/Komische Oper

Nächste Vorstellungen: 7./ 11./ 15./ 23.Oktober 2011