Dünn: ‚Die Haut, in der ich wohne‘ von Pedro Almodovar ***

Dr.Roberto Ledgard (Antonio Banderas) betreibt eine schicke, aber etwas dubiose Klinik für plastische Chirurgie auf einem prächtigen, altspanischen Landsitz – doch hält sich dort nur eine einzige Patientin auf: die junge, hübsche Vera (Elena Anaya) – eingesperrt in einem fast kahlen Zimmer und in einem fleischfarbenen Ganz-Körper-Body, von Videos überwacht. Ledgard, dessen luxuriöser Haushalt von seiner hexenhaften, strohblonden Mutter geleitet wird, forscht und experimentiert (medizin-ethisch ziemlich fragwürdig) mit menschlicher Haut. In verschachtelten Rückblenden und knappen Berichten, die aber immer nur neue Fragen aufwerfen, entüllt sich allmählich, dass Vera einst ein junger Mann war, der vor Jahren die Tochter Ledgards bei einer Sex-Party vergewaltigte (was zu deren Tod führte), und den Ledgard aus Rache umoperiert und dem Bild seiner verstorbenen Frau nachmodelliert hat. Doch langsam befreit sich Vera, die ihren Peiniger und „Schöpfer“ zu lieben scheint, aus dieser Abhängigkeit und wird nun ihrerseits zur todbringenden Rächerin.
Eine krude Mischung aus wissenschaftlicher Horror-Story und psychologischem Grusel-Thriller, aus pompösem Melodram und blankem Kitsch. Eigentlich die perfekte Mischung für einen Pedro Almodovar, aber leider bekommt er diesesmal die diversen Ideen und Geschichten nicht unter einen Hut :  der Film zeigt zwar immer wieder herrlich-grelle Bilder und Szenen, die sich aber nicht – wie in seinen Meisterwerken ( Volver; Sprich mit ihr; La mala eduction) – zur giftig-bösen Burleske steigern. Dennoch: effektvoll und souverän verwebt Almodovar die abstrusen Geschichten mit reichlich Zitaten und Anspielungen auf literarische und filmische Vorbilder (von Edgar Allen Poe bis Alfred Hitchcock), zeigt hinreissend mondäne Wohn-und OP-Räume, trumpft mit fantasievollen Kostümen und farbintensiven Requisiten auf – ob Haute Couture oder schrille Karnevalsmasken. Vor allem versteht er es, latent-erotischen Spannungen zwischen den Figuren und Geschlechtern vieldeutig schillern zu lassen: so beobachtet beispielsweise Ledgard sein fast nackt scheinendes Opfer Vera nur auf einem riesigen Video-Schirm vom Nebenzimmer aus – und entflieht allen ihren Annäherungen. Ist Vera nun ein Frau – oder ein Mann in fremder Haut?
Trotz solch gelungener Einzelheiten: als Ganzes bleibt der Film dünn-häutig und blutarm: die Geschichte schwebt wie in einem aseptisch-luftleeren Raum. Die sonst so agressiv-grelle Erdung an die reale (spanische) Umwelt oder Gesellschaft mit ihren vitalen Figuren, ihren Männern und Frauen am Randes des Nervenzusammenbruchs fehlt – was sicherlich auch zum Teil auf das Konto der überwiegend blass agierenden Darstellern gehen mag. Antonio Banderas gleicht einem attraktiven, männliches Model, das elegant zwischen Schöner-Wohnen-Ambiente und kaltem OP pendelt; Elena Anaya ist überwiegend die hübsche, junge Frau, zeigt aber kaum Charakter;  und die in Spanien populäre Marisa Paredes chargiert gekonnt aber vorhersehbar als hexenhafte Mutter und devote Haushälterin.
Statt einer grellen, bös-agressiven Satire, diesmal ein halb-trockener Kessel Buntes alter Almodovar-Einfälle – hübsch, aber ohne Biss.

Foto/Poster: Tobis Filmverleih

zu sehen: Hackesche Höfe Kino (OmU); Neues Off (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; Filmtheater am Friedrichshain; Neue Kant Kinos; Kulturbrauerei; Yorck; Thalia Potsdam