Welche Farbe hat die Kunst? : ‚Rot‘ im Renaissance-Theater****

Im Frühjahr 1958 erhält der damals schon berühmte, amerikanische Maler Mark Rothko (1903-1970) das Angebot, Bilder für ein Nobel-Restaurant im neuesten New Yorker Wolkenkratzer, dem Seagram-Building (Architekten: Philip Johnson und Mies van der Rohe), zu malen. Rothko schafft speziell für diesen im Enstehen begriffenen Raum eine Serie grossformatiger, abstrakter Werke, überwiegend in Rot. Doch im letzten Augenblick tritt er – aus nicht ganz geklärten Gründen – von dem Auftrag zurück. Jahre später stellt er acht der Werke im MoMa anlässlicher einer Retrospektive aus, heute befinden sich die Bilder (dank einer Schenkung) in der Londoner Tate Gallery.
Aus dieser Episode hat der amerikanische Film- und Theater-Autor John Logan ein spannendes Zwei-Personen-Kammerspiel entwickelt, in dem Mark Rothko während der Arbeit an diesen sogenannten ‚Seagram Murals“ mit seinem (erfundenen) Assistenen Ken über das Wesen, den Sinn und die Bedeutung – zunächst der Malerei, und dann der Kunst überhaupt diskutieren. Ken, selbst ein junger Maler, erweist sich – nach anfänglicher Unsicherheit dem berühmten, sehr cholerischen Rothko gegenüber – im Lauf der Zeit als ein gelehriger Schüler, der im Lauf der Arbeit dem Meister kräftig Paroli zu bieten lernt. Bald geht es nicht nur um Kunst, sondern auch um Fragen, wie sich ein Künstler zum Leben, der Politik, der Gesellschaft verhält oder verhalten sollte.
Bilder nur als Dekoration für reiche Snobs beim Luxus-Dinner? Darf der Künstler das verantworten? Welche Bedeutung haben Geld und Ruhm überhaupt für ihn? Aber auch menschlich geraten der egozentrische Rothko und der junge Ken, den er als Maler überhaupt nicht wahrnehmen will, heftig aneinander. Zwei Generationen stehen sich gegenüber: der junge, aufstrebende Künstler, der Neues sucht, und der renommierte, reife Maler-Star, der seine Sicht auf Welt und Kunst weder aufgeben will noch kann.
Regisseur Thorsten Fischer hat den wortreichen, geistigen Zweikampf der beiden unterschiedlichen Künstler geschickt und temporeich inszeniert – auf der weit offenen Bühne, die das Atelier des Malers mit seinen riesigen Staffeleien und halbfertigen Bildern zeigt. Dominique Horwitz spielt Rothko als einen hochgebildeten, selbstbezogenen, dennoch unbestechlichen Künstler, faszinierend und arrogant zugleich. Der noch junge Benno Lehmann als Ken wirkt zuerst wie ein braver Schulbub im schwarz-korrekten Anzug, entwickelt sich aber im Lauf des anderthalb-stündigen Stückes zu einem temperamentvoll-aufmüpfigen Widerpart, wenn letztlich auch nur als netter Stichwortgeber für den brillanten Rothko-Horwitz.
Ein (auch ohne Kunst-Vorkenntnisse) ebenso vergnüglicher, wie intelligenter Theater-Abend – mit einigen Einschränkungen gegenüber der deutschen Übersetzung, die im Ton gelegentlich allzu literarisch wirkt gegenüber der flüssigeren amerikanischen Originalsprache.

nächste Vorstellungen: 5.u. 6./ 26 . – 30.November / 2.u.3.Dezember 2011