Kammer-Western: ‚Meek’s Cutoff‘ von Kelly Reichardt ***

Oregon 1845 – Der grosse Treck nach Westen. Drei Familien machen sich selbständig, glauben mit Hilfe des ortskundigen Trappers Stephen Meek (Bruce Greenwood) ihr Ziel („einen Garten Edens“) durch eine Abkürzung des Weges schneller und sicherer zu erreichen. Doch schon bald verlieren sie sich in der weiten, steppenartigen Hügellandschaft, auch Mr. Meek scheint die Orientierung verloren zu haben. Vorräte und Wasser werden knapp und auch ein Indianer (Rod Rondeaux), den sie gefangen nehmen, kann nicht weiterhelfen : weder verstehen die frommen Auswanderer seine Sprache noch sein befremdliches Verhalten: das Ritzen von Zeichen in Steine, die beschwörende Anrufung der Natur. Mr.Meek hält ihn sogar für gefährlich, will ihn töten, doch eine der Frauen, die junge Emily (Michelle Williams), versucht Kontakt mit ihm aufzunehmen, gibt im etwas vom spärlichen Essen ab, näht seinen Lederschuh – immer in der Hoffnung, dass er den anscheinend verlorenen Siedlern in der ausgedörten Landschaft weiterhelfen kann. Ob er dies vermag bleibt offen: am Ende des Films trifft der kleine Treck auf einen einsamen Baum in der endlosen Steppe: Hoffnung auf Wasser.
Die Independent-Regisseurin Kelly Reichardt („Wendy und Lucy“) versteht es vortrefflich, Menschen und Landschaften zu konfrontieren. Müde und verloren schleppt sich -  fast stumm -  die kleine Menschengruppe durch die schier endlose, leere Steppen-Landschaft. Mit fast dokumentarischem Realismuss zeigt die Regisseurin die Mühen und Widrigkeiten des oft so heroisch oder pathetisch verklärten Pionier-Zuges nach dem goldenen Westen. In raffiniert geschitten Bildsequenzen, mit knappen Dialogen, gelegentlich nur durch einige verfremdete Klänge akzentuiert, und überzeugend gespielt von Schauspielern, die nicht dem üblichen Western-Typus Hollywoods entsprechen.
Weniger überzeugend ist die Story selbst und ihr allzu deutliche, feministisch gefärbte Dramaturgie: stockkonservative Männer, besonders der brutale Macho Trapper Meek, gegenüber brav sich unterordnenden Frauen, die sich aber im Lauf des Films als das bessere und klügere Geschlecht erweisen: wenn Emily Meek’s brutalen Gewaltausbruch, den Indianer zu erschiessen, verhindert und dafür einen menschenlich-freundlicheren, wenn auch unsicheren Weg einschlägt, nämlich den fremdartigen Indianer einzubinden in die Suche nach Weg und Wasser, um so ihr Ziel (auf einem gedanklichen Umweg) zu erreichen. So wird Meek’s Scheitern als An- und Wegführer der Siedler auch zur Kapitulation des Manns schlechthin.
Ein bisschen zu dick aufgetragene „Botschaft“ für einen kleinen, wenn auch (filmisch) feinen Western.

Foto (Poster): Verleih Peripher

zu sehen: fsk (OmU); Hackesche Höfe Kino (OmU)