Leichtfüssig: ‚Peer Gynt‘ beim Staatsballett in der Deutschen Oper ***

Aus Henrik Ibsens berühmten Schauspiel vom Träumer, Aufschneider und lebenslangen Ich-Sucher Peer Gynt und der dafür komponierten Musik von Edvard Grieg hat der Züricher Chef-Choreograph Heinz Spoerli 2007 ein abendfüllenndes Handlungsballett für sein Hausensemble choreographiert und dies nun mit dem Berliner Staatsballett neu einstudiert.
Geschickt rafft und konzentriert Spoerli das dramatische Gedicht von Ibsen, konzentriert sich ganz auf die Figur des Peer und seiner Suche nach sich selbst und ergänzt die Schauspielmusik von Grieg um zeitgenössische Töne von Brett Dean und Mark-Anthony Turnage (gut gespielt vom Orchester der Deutschen Oper unter Robert Reimer). Auf ausladende Show-Szenen bei Peers Reise durch die Welt wird ebenso verzichtet wie auf vordergründige, nordische Folklore. Peer ist bei Spoerli (und in der betont schlichten Ausstattung von Florian Etti) fast ein moderner junger Mann, der die verschiedenen Seiten seiner Persönlichkeit entdecken möchte – auf der Bühne spaltet sich die Figur deshalb auf in einen Tänzer (Vladimir Malakhov) und einen Schauspieler (Sebastian Hülk), der einige wichtige Monologe, die Peers tiefere Gedanken enthüllen, rezitiert.
Der erste Teil des gut zweistündigen Abends spielt vor blauem Himmel im bergigen Norwegen, schildert die Begegnung mit der mädchenhaft-schüchternen  Solveig, die turbulente Hochzeitsfeier und den Brautraub Ingrids. Dann trifft Peer die eierköpfigen Drolle mit ihrem wild-wirbelnden Bergkönig und dessen attraktiver Tochter, und er erlebt schliesslich den Tod seiner ihn stets etwas spiessig betüttelnden Mutter. Der zweite Teil spielt zunächst in der Wüste, der Bühnenboden ist nun mit goldgelbem Sand bedeckt: hier erliegt Peer den Lockungen der Beduinen-Schönheit Anitra, wird zum reichen Mann und steigert sich in den Wahn, Kaiser zu sein, bis er im Irrenhaus von Kairo landet. Am Ende kehrt er nach Norwegen zurück und stirbt in den Armen der inzwischen ergrauten Solveig.
Auch choreographisch mischt Heinz Spoerli elegant die Stile, benützt den klassischen Spitzenschuh ebenso wie expressive Körpergestik. Mitreissende nowegische Tänze kontastieren mit mehreren ausschwingenden Pas-de-deux zwischen Peer und Solveig oder den bühnenbeherrschenden, hohen Wirbelsprüngen des strubbel-köpfigen Bergkönigs. Voll schöner Melancholie geprägt sind die letzten Szenen, wenn die Sängerin Martina Welschenbach -  im Halbdunkel neben der Tänzerin der Solveig -  deren berühmtes Wiegenlied mit klarer Stimme erklingen lässt.
Das Ensemble des Staatsballetts präsentiert sich in bester Form,  erste Solisten wie Polina Semionova (Anitra), Dinu Tamaslacaru (Bergkönig), Beatric Knopp (seine Tochter) oder Leonard Jakovina (Tod) verkörpern die kleineren Rollen mit hoher Perfektion. Nadja Saidakova überzeugt als treu ausharrende Solveig, anrührend und ohne jede falsche Sentimentalität. Nur Vladimir Malakhov als Peer bleibt seiner komplexen Rolle einiges schuldig: nicht tänzerisch, aber als Darsteller. In seinem schlichten Anzug wirkt er eher wie ein lieber Lausbub, der mal ausbüxt – den grossen, kraftvollen Kerl, der die ganzen Welt auf der Suche nach sich selbst – auch intellektuell – durchstreift, nimmt man ihm kaum ab.
Kein ganz grosser Wurf, aber ein gefälliger, klug gestalteter Abend mit vielen tänzerischen Glanzlichtern.

Foto: Bettina Stöss/ Staatsballett

nächste Vorstellungen (teilweise in veränderten Besetzungen): 25./28./29.November/ 2.Dezember 2011