Viva la Diva: ‚Die sieben Todsünden‘ in der Komischen Oper ***

Ein Abend für und mit Dagmar Manzel. Und das ausschliesslich – fünf Viertelstunden ohne Pause. Das angekündigte Stück „Die sieben Todsünden“ von Kurt Weill und Bertolt Brecht entstand in Pariser Exil und wurde dort 1933 als ‚Ballett mit Gesang‘ uraufgeführt. Da es aber nur knapp 40 Minuten dauert, hat Regisseur Barrie Kosky, künftiger Intendant des Hauses, den Abend zusätzlich mit 8 Songs von Weill aufgefüllt. Sieben davon singt Dagmar Manzel zunächst vor dem geschlossenen Vorhang, am Flügel diskret begleitet von Frank Schulte: mehr oder weniger populäre Lieder, chronologisch gereiht, aus der Berliner, Pariser und New Yorker Schaffens-Zeit des Komponisten. Dann öffnet sich der Vorhang und auf der leeren, dunkel gehaltenen Bühne sitzt das Orchester, akurat geleitet von der estnischen Dirigentin Kristiina Poska, ab Herbst neue Kapellmeisterin der Komischen Oper.
„Die sieben Todsünden“ erzählen von zwei Schwestern aus Louisiana, die sieben Jahre durch die Grossstädte der USA tingeln, um Geld für die daheim gebliebene Familie (Vater, Mutter, zwei Brüder) und deren kleines Haus am Mississippi zu beschaffen. In der sarkastisch-dialektischen Umkehrung Brechts werden dabei die christlichen Todsünden im Kapitalistischen System ins Gegenteil verkehrt, denn Geld ist wichtiger als die Moral.
Barrie Kosky hat nun die beiden Schwestern (ursprünglich eine Tänzerin und eine Sängerin) zu einer einzigen Person verschmolzen: zur singenden Anna mit den zwei Seelen in einer Brust – der gefühlvollen und der praktischen. Barfuss, in einem altmodischen, blau-grauen Cocktail-Kleid verkörpert Dagmar Manzel diese Anna mal als kesse Göre, mal als resolute Geschäftsfrau. Ihre Familie – ein komisches Männerquartett mit dem Bass als Mutter – bleibt unsichtbar, aus den dunklen Proszeniumslogen tönen nur klangvoll ihre Stimmen. Die Manzel darf auch ein bisschen tanzen, ein paar Charleston-Schritte wagen,oder im Kreis wirbel, darf kichernd kieksen oder dröhnend lachen. Verfolgt von einem Scheinwerfer, der auch mal nur eine Hand, einen Arm oder das Gesicht grell herausleuchtet. Nachdem Anna am Ende ihrer langen und anstrengenden Reise als erfahrene Frau wieder in Louisiana eingetroffen ist, schliesst sich der Vorhang und – ohne jede instrumentale Begleitung – singt die Manzel sehr anrührend die Ballade vom ertrunkenen Mädchen (aus dem Berliner Requiem). Tosender Applaus.
Diese Neuinterpretation der „Sieben Todsünden“ ist eine One-Women-Show geworden, die Dagmar Manzel Gelegenheit bietet, ihre Talente effektvoll, aber diszipliniert auszustellen. Es ist eine kluge, nüchterne Interpretation der Weillschen Musik, jedoch ohne das sinnliche Timbre grosser Vorgängerinnen.
Schade nur, das eine szenische Interpretation des Stückes dabei nicht stattfindet – einer kritischen Konfrontation mit dem Brechtschen Text, der doch nach fast achzig Jahren einigen Alterspeck angesetzt hat, ist Barrie Kosky geschickt ausgewichen, indem er stattdessen der Manzel einen massgeschneiderten Show-Teppich ausgebreitet hat – und den hat die Vollblut-Schauspielerin geschickt für sich genutzt. Wer sollt ihr das verübeln.

Foto: Monika Rittershaus/Komische Oper Berlin

nächste Vorstellungen:22.Februar; 10.März; 13.Juni; 2.Juli