Drache mit Herz: ‚Die eiserne Lady‘ von Phyllida Lloyd ***

So wie die reale Person, so spaltet auch der Film über die einstige britische Premierministerin Margaret Thatcher (1979-1980)  das Publikum – nicht nur in England.
„The Iron Lady“ – ein Titel, den ihr der Moskauer Rundfunk nach ihrer zweiten Wahl verpasste – erzählt seine Geschichte in vielen Vor- und Rückblenden. Die alte, demenzkranke Fau lebt einsam in ihrer Londoner Wohnung – ständig von einigen Bediensteten und gelegentlich von ihrer Tochter umsorgt. Sie halluziniert sich ihren längst verstorbenen Ehemann herbei, kabbelt sich ein wenig mit ihm und erinnert sich – schnipselweise – an ihr Leben. An ihre Jugend im Kolonialwarengeschäft der Eltern, an ihr Studium in Oxford, an ihre Heirat mit dem wohlhabenden Denis Thatcher und an ihren holprigen Start in die Politik. Sie erlebt noch einmal in knappen Erinnerungssplittern ihren Aufstieg in die arrogante Männerriege der konservativen Partei und ihre Zeit als Premierministerin: den Kampf gegen die Macht der Gewerkschaften, die Privatisierung öffentlicher Institutionen, die weitgehende Liberalisierung der Wirtschaft, die Freundschaft zu Ronald Reagan und ihren Triumph im Falklandkrieg.
Dazwischen auch immer wieder Bilder eines vernachlässigten Familienlebens und am Schluss den indirekt von Parteimitgliedern erzwungenen Abschied von der Politik und den wehmütigen Auszug aus der ‚Downingstreet 10‘:  von unterdrückten Tränen und roten Rosen umflort.
Der Film stellt die Person, nicht ihre Politik in den Mittelpunkt. Es ist das spannend, wenn auch routiniert  inszenierte Porträt einer ehrgeizigen, aber prinzipienstarken Frau – in einer von selbstgefälligen Männern geprägten Welt. Und die Story einer treuen Mutter und Ehefrau, die ihre Tüchtigkeit allerdings nicht im Haushalt, sondern auf dem politischen Parkett ihres geliebten Landes beweisen will und beweist. Ein selbstbewusster Drache, doch mit dem Herz am rechten Fleck – eigenwillig, aber unbestechlich noch im dementen Zustand.
Demgegenüber schildert der Film die Gegener der Margaret Thatcher ausschliesslich als wankelmütige Parteifreunde oder als agessiven Mob auf der Strasse. Und so kann der Film sie als heimliche Heldin feiern, die sich nur mit hocherhobenem Haupt den Intrigen ihrer Feinde beugt und wie eine unschuldig geopferte Königin das Heim der englichen Premierminister verlässt – pathetisch untermalt von der Stimme der Maria Callas mit Bellinis „Casta Diva“-Arie.
Rührend dann ihr eingeschränktes Leben als demente Witwe, die sich nach dem trocken-sarkastischen Humor ihres verstorbenen Mannes sehnt (britisch-köstlich: Jim Broadbent) oder ungeduldig die Anrufe ihres Sohnes aus Südafrika erwartet.
Dass dieses stark emotionale Heldinnen-Epos dennoch zu einem unterhaltsamen, zeitgeschichtlichen Film wird, dankt er vor allem der darstellerischen Präsenz und der stupenten Wandlungsfähigkeit von Merryl Streep – und ihrer Maskenbildnerin:  beide wurden dafür dafür mit einem Oscar gekrönt.
Auch wenn diese „Eiserne Lady“ nicht die stille Intensität und raffinierte Intelligenz von Stephen Frears „Queen“ besitzt, so garantiert doch die flotte Machart und vor allem das schauspielerische Temperament der Merryl Streep zwei unterhaltsame und diskussions-anregende Kinostunden.

Poster/Foto: Concorde Filmverleih

zu sehen: CineStar Sony Center (OV); Filmkunst 66 (OmU); Hackesche Höfe (OmU); Odeon (OmU); Rollberg Neukölln (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; Titania Palast Steglitz; CineStar Tegel; Capitol Dahlem; Delphi; International; Kino in der Kulturbrauerei; Toni; Yorck u.a.