Überdrehte Chinoiserie: ‚Das bronzene Pferd‘ in der Komischen Oper **

Wie schön, dass die Komische Oper ein unbekanntes, französisches Werk aus dem frühen 19.Jahrhundert in ihren Spielplan aufnahm – wie enttäuschend jedoch die schwache Realisierung! „Das bronzene Pferd“ von Daniel Francois Esprit Auber, uraufgeführt 1835 in Paris, ist ein turbulentes Lustspiel im chinesischen Gewand – und besagtes Pferd ist eine bronzene Statue, die jeden Mann, der sich auf seinen Rücken setzt, auf den Planeten Venus befördert. Wenn dieser aber eine der dort lebenden Damen innerhalb von 24 Stunden berührt, also seinen Trieb nicht halten kann, wird er auf die Erde zurückgebracht. Ausserdem spielen ein Rolle: ein chinesischer Bauer, der seine Tochter an einen reichen Mandarin verkuppelt, weil er sich dadurch eine grosse Mitgift erhofft; die eifersüchtige Vierte Ehefrau dieses Mandarins, die sich eine tolle Witwenschaft erhofft, wenn ihr Mann per Pferd auf die Venus geschickt wird; ein Kaisersohn, der einer Traumfrau nachjagt und sie schliesslich auf dem Planeten entdeckt. Natürlich finden alle Paare nach drei länglich-wilden Akten ihr Happy End, heftigst akklamiert nicht nur vom sich ständig verbeugenden Chor in gelben und pinkfarbenen Seiden-Pyjamas, sondern auch vom beifallsfreudigen Publikum im Zuschauerraum.
Dennoch: eine dramaturgisch recht schwach gestrickte Farce aus der vielbeschäftigten Autoren-Werkstatt von Eugene Scribe, aber effektvoll belebt von Auber’s tempo-geladener und ansprechender Musik, unüberhörbar ein Vorläufer der Offenbachschen Operetten, ohne jedoch deren melodische Prägnanz und satirischen Witz zu erreichen. Aber sehr gefällig und elegant!
Leider bedient sich Regisseur Frank Hilbrich überwiegend altbekannter Klamotten-Klischees und ins Schrill-Groteske übertriebener Darsteller-Gesten. Putzige Panda-Bären und dreiste Affen-Paare tollen immer wieder umher und versuchen zu kopulieren, der Bauer spielt in weissem Anzug und silberner Weste den neureichen Möchtegern, der Mandarin zeigt ausgiebig seinen nackten Schwabbelbauch, die Vierte – scharz bebrillte – Ehefrau zickt resolut rein und raus,  der Kaisersohn – im dunklen Anzug – rauscht mit viel Bühnennebel auf die Venus – dort empfangen von einem Damen-Chor im nackt-bemalten Out-fit.
Die Sänger mühen sich redlich, die grotesken Possen kraftvoll über die Rampe zu bringen und gleichzeitig die hübschen Couplets, Duette und Ensemble-Nummern flott zu servieren. Am besten gelingt dies Julia Giebel als koloratur-geläufiger Venus-Prinzessin, der temperamentvollen Erika Roos als Ehefrau-Hausdrachen sowie der jungen Annelie Sophie Müller (aus dem Opernstudio der Komischen Oper) als aufmüpfig-couragierte Bauerntochter. Die Männer (Sung-Keun Park, Tom Erik Le, Juri Batukov, Stefan Boving) pusseln und krähen dagegen mehr oder weniger überzeugend an ihren allzu klischeehaften Rollen.
Maurizio Barbacini sorgt im Orchestergraben für Tempo und Schwung, das Orchester hält kräftig mit – auch wenn ein bisschen mehr französicher Esprit dem Ganzen guttun würde.
So gibt es statt einer spitzigen Opera-comique diesmal nur eine platte Berliner Posse zu  entdecken – Schade!

Foto: Thomas M.Jauk

nächste Vorstellungen: 20./26.März/ 7./27.April 2012